Mobilfunkstrahlung:

Das Strahlungskartell

Von Published On: 28. November 2016Kategorien: Allgemein

Jens Wernicke: Herr Adlkofer, Sie sind einer der renommiertesten Kritiker der inzwischen gigantischen Mobilfunkindustrie, die, schenkt man den Darstellungen des Films „Das Strahlungskartell“ glauben, alles dafür tut, um „geschäftsschädigende Kritik“ an ihrem Wirken zu unterdrücken und mundtot zu machen. Worüber sprechen wir hier? Was ist das Problem an Mobilfunk sowie am „Strahlungskartell“?

 

Franz Adlkofer: Auch wenn ich in diesem vorkomme, habe ich ihn, da er gerade erst auf DVD erschienen ist, selbst leider noch nicht sehen können. Der Überschrift „Das Strahlungskartell“ und den Einführungssätzen entnehme ich, dass über die Netzbetreiber nicht viel Gutes berichtet wird. Dafür habe ich großes Verständnis. Wie sie ihre Interessen durchsetzen, ist mit dem Begriff „institutionelle Korruption“, die sich im Grenzbereich zwischen legal und illegal bewegt, höchst unzureichend beschrieben. Im Umgang mit mir scheute man jedenfalls auch vor kriminellen Methoden nicht zurück, um mir meine Glaubwürdigkeit zu nehmen, was so ziemlich das Schlimmste ist, was einem Wissenschaftler geschehen kann.

 

Zur Sache: Der Schutz der Menschen vor der Hochfrequenzstrahlung, wie er seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zunächst vom US-Militär und nach Beendigung des Kalten Krieges von der Strahlenindustrie jeweils im Einverständnis mit der Politik propagiert wird, beruht auf einer großen Lüge. Die damals entstandenen und heute noch geltenden Grenzwerte sind nämlich nicht mehr und nicht weniger als ein Phantasieprodukt, mit dem das Militär seine technischen und die Strahlungsindustrie ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen verstand.

 

Menschen, die dieser Strahlung ausgesetzt sind, schützen diese Grenzwerte lediglich vor Verbrennungen, wovor sich jeder Betroffene allerdings auch von sich aus schützen würde, weil Verbrennungen schmerzhaft sind. Beim Schutz vor strahlungsbedingten Erkrankungen, die bereits weit unterhalb der Grenzwerte auftreten können und sich in aller Regel langsam entwickeln, sind diese Grenzwerte ohne jede Wirkung.

 

Seit Jahrzehnten wird der profitable Status quo aufrecht erhalten, indem wie im Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramm Pseudoforschung gefördert und echte Forschung behindert wird. Forschungsmittel werden bevorzugt an willfährige Wissenschaftler mit der richtigen Meinung unter Kontrolle der Mobilfunkindustrie vergeben, unabhängige Forscher erhalten nur Fördermittel, wenn die von ihnen zu erwartenden Ergebnisse mehr oder weniger bedeutungslos sind. Schlimmer noch: Diese Wissenschaftler werden dann benutzt um zu zeigen, dass bei der Vergabe der Forschungsmittel alles mit rechten Dingen zuging. Und die Politik – sei es, dass sie nichts davon bemerkt oder mit allem einverstanden ist – hüllt sich in Schweigen.

 

Wer dies alles öffentlich zu sagen bereit ist, braucht sich – wie ich als Betroffener versichern kann – über den Umgang, den er hiernach von der Mobilfunkindustrie, ihren Söldnern aus der Wissenschaft und darüber hinaus auch von der Politik erfährt, nicht zu wundern.

 

Jens Wernicke: Das scheint im Moment ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, das ebenso andere Bereiche von Forschung und Wissenschaft betrifft und beispielsweise beim Thema Pestizide bereits verheerende Folgen gezeitigt hat. Was genau ist bezüglich der Mobilfunkstrahlung denn der aktuelle Forschungs- und Wissensstand?

 

Franz Adlkofer: Gegenwärtig steht für mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Mobilfunkstrahlung bei Langzeit- und Häufignutzern des Mobiltelefons Hirntumore verursachen kann.

 

Weniger überzeugend erscheint mir aktuell die Beweislage für die vielen anderen Erkrankungen, auf die im Film „Das Strahlenkartell“ hingewiesen wird. Doch die Chancen, dass eines Tages auch dafür die erforderlichen Belege erbracht werden, stehen durchaus gut.

 

Dass es unter den Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen und die bereits auf niedrigste Strahlenbelastungen mit Krankheitssymptomen reagieren, viele gibt, die tatsächlich elektrosensitiv sind, erscheint mir ebenfalls als weitgehend gesichert.

 

Jens Wernicke: Und das ist alles seriös be- und mit Studien hinterlegt? 

 

Franz Adlkofer: Ja. Dass wir wohl in absehbarer Zeit wohl mit einem nicht mehr übersehbaren Anstieg von Hirntumoren rechnen müssen, habe ich in meinem Artikel „Neues von der NTP-Studie“ begründet.

 

Was den unbefriedigenden Stand des Wissens über Erkrankungen auch anderer Organe oder Systeme des menschlichen angeht, worauf zahlreichen Publikationen hinweisen, ist dies vor allem der einseitigen Forschungsförderung und damit der Forschungsbehinderung durch Industrie und Politik geschuldet.

 

Jens Wernicke: In den Medien wird ja in aller Regel das genaue Gegenteil dargestellt: alles sei sicher, die Kritiker wären nicht recht bei Verstand etc.

 

Franz Adlkofer: Der Einfluss der Mobilfunkbetreiber auf die Medien, selbst auf die besonders elitären, die voller Stolz auf den eigenen hohen moralisch-ethischen Standard verweisen, ist überwältigend.

 

Sie drucken alles ab, was ihnen von Wissenschaftlern vorgetragen wird, die offen oder verdeckt mit der Mobilfunkindustrie zusammenarbeiten. Diese Wissenschaftler stellen sich bei ihnen in der Regel als Mitglieder wichtiger nationaler und internationaler Beratungs- und Entscheidungsgremien vor, in denen sie aufgrund ihrer richtigen Meinung von der Politik auf Wunsch der Mobilfunkindustrie untergebracht wurden.

 

Im Gegensatz zu den zwecks Erhöhung ihres Marktwertes mit Amt und Würden ausgestatteten Söldnern des Strahlungskartells werden Erkenntnisse unabhängiger Wissenschaftler, die sich nur dem eigenen Gewissen verpflichtet fühlen, völlig ignoriert. Sie selbst werden als Außenseiter angesehen oder schlichtweg als Verrückte diffamiert.

 

Jens Wernicke: Warum wissen wir als Verbraucher so wenig über die Auswirkungen der steigenden Strahlenbelastung? 

 

Franz Adlkofer: Jeder Mensch, der wirklich wissen möchte, was da geschieht, hätte hinreichend Gelegenheit, sich über die möglichen gesundheitlichen Risiken der Hochfrequenzstrahlung zu informieren.

 

Nur wenige machen jedoch davon Gebrauch, zum einen weil sie sich nicht mit Wissen belasten möchten, das ihren Umgang mit dieser sehr hilfreichen und deshalb zu Recht geschätzten Technologie beeinträchtigen könnte. Zum andern tun sie es auch deshalb nicht, weil ihnen von der Mobilfunkindustrie und ihren Interessensvertretern aus der Wissenschaft, aber auch von der Politik seit Jahren vorgegaukelt wird, dass die Technologie bei Einhaltung der Grenzwerte absolut harmlos sei.

 

Die Medien tragen zu dieser Fehlinformation der Bevölkerung zu einem erheblichen Teil bei. Offensichtlich erwarten sie für ihre Zurückhaltung bei der Darstellung der Risiken der Hochfrequenzstrahlung von der Mobilfunkindustrie Gegenleistungen. Das Werbebudget der Mobilfunkindustrie, das das der Zigarettenindustrie von einst bei Weitem übertrifft, ist scheinbar für sie so verführerisch, dass sie sich bei ihrer Berichterstattung weniger der Wahrheit als den Interessen der Mobilfunkindustrie verpflichtet fühlen.

 

Jens Wernicke: Im Film wird nun ja auch klargestellt, dass zusätzlich zu allem anderen im Hintergrund oft auch riesige PR-Agenturen agieren, die Geld dafür erhalten, kritische Forschung zu verunmöglichen und Menschen wie Ihnen mit allen Tricks und Kniffen die Glaubwürdigkeit zu entziehen…

 

Franz Adlkofer: In den USA ist das ganz sicher der Fall. Das Strahlungskartell hat von der Zigarettenindustrie all die Tricks übernommen, mit denen diese die Risiken des Rauchens über Jahrzehnte hinweg so verschleierte, dass sie den Menschen weitgehend verborgen blieben.

 

Teil dieser Strategie ist die Gründung angeblich unabhängiger Forschungs- und Informationszentren, die Industrieinteressen in wichtigen gesellschaftlich relevanten Bereichen möglichst unauffällig, aber wirksam vertreten. In Deutschland schuf sich die Mobilfunkindustrie für diesen Zweck zunächst die Forschungsgemeinschaft Funk, kurz FGF, die sich von 1992 bis 2009 innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft sehr erfolgreich für die Verharmlosung der Mobilfunkstrahlung einsetzte. Von 2001 bis 2015 kam das Informationszentrum Mobilfunk, kurz IZMF, hinzu, das sich schwerpunktmäßig um die Fortbildung von Lehrern und Ärzten in Sachen Mobilfunk im Sinne der Mobilfunkindustrie bemühte.

 

Beide Organisationen, besonders aber letztgenannte, die über viele Jahre hinweg eng mit dem Deutschen Ärzteblatt zusammenarbeitete, waren mit ihrer Tätigkeit ausgesprochen erfolgreich, so erfolgreich, dass sie schließlich von den Netzbetreibern sang- und klanglos abgeschafft werden konnten, weil inzwischen staatliche Organisationen wie das Bundesamt für Strahlenschutz und die Strahlenschutzkommission wie von selbst ihre Aufgaben übernommen hatten.

 

Diese beiden staatlichen Organisationen wiederum arbeiten eng mit der WHO und der Internationalen Kommission zum Schutze vor der nicht-ionisierenden Strahlung. kurz ICNIRP, zusammen, in denen die Vertrauensleute des internationalen Strahlungskartells seit Jahren das Sagen haben.

 

In Deutschland gibt es noch eine weitere Einrichtung, das sogenannte Informationszentrum gegen Mobilfunk, kurz IZgMF, das im Widerspruch zu seinem Namen die Interessen der Mobilfunkindustrie auf ganz besondere Weise vertritt. Es ist ganztägig damit beschäftigt, Kritiker des Mobilfunks, seien es Laien oder Wissenschaftler, mit Schmutz zu bewerfen. Dies ist auch mit mir geschehen. Der Verleumdungsprozess vor dem Landgericht Berlin im Jahre 2010 lieferte dann auch die Bestätigung für die moralische Verkommenheit der Forumbetreiber. Nur die dümmsten der Dummen zweifeln noch daran, dass das IZgMF für seine Treu und Glauben vernichtende Tätigkeit von der Mobilfunkindustrie ausgehalten wird.

 

Eine weitere Einrichtung, die ebenfalls auf dem Niveau des IZgMF arbeitet, ist Psiram, dessen sich die Wirtschaft insgesamt bedient, um alles, was ihren Interessen schaden könnte, als Quacksalberei, Scharlatanerie und Täuschung aus dem Wege räumen zu lassen. Psiram, das international tätig ist und sich fürsorglich im rechtsfreien Raum angesiedelt hat, sieht sich nach eigenem Bekunden dem kritischen Verbraucherschutz verpflichtet. Eine solche Möglichkeit lässt sich natürlich auch das Strahlungskartell nicht entgehen, um mit denen abzurechnen, die ihren Interessen im Wege stehen. Dies ist auch mit den Autoren der REFLEX-Studie geschehen, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen müssen.

 

Für das IZgMF und Psiram fällt mir nur noch ein: „Zeig mir deine Freunde, und ich sag dir wer du bist.“

 

Jens Wernicke: Was hat es in diesem Zusammenhang mit einem sogenannten „War Game Memo“ auf sich, dass die gigantische PR-Firma Burson-Marsteller im Auftrag des „Strahlungskartelles“ erstellt haben soll?

 

Franz Adlkofer: Der Begriff War Gaming wurde meines Wissens 1994 von der amerikanischen Mobilfunkfirma Motorola geprägt, um ihrem Vorgehen gegen die Wissenschaftler Lai und Singh an der University of Washington in den USA, die gentoxische Veränderungen in Hirnzellen strahlenexponierter Ratten festgestellt hatten, einen bildhaften Namen zu geben.

 

Mit dem „Kriegspielen“ gegen diese beiden Forscher sollte erreicht werden, dass sie vom Präsidenten der Universität gefeuert werden, was dieser ablehnte, und dass ihre Forschungsförderung unverzüglich eingestellt wird, was tatsächlich geschah.

 

Jens Wernicke: Von was für Strategien der „Kriegsführung“ sprechen wir hier konkret?

 

Franz Adlkofer: Das Vorgehen des Strahlungskartells, von dem es heißt, es sei zu groß, um unterzugehen, beruht nicht auf Witz und Verstand, sondern einerseits auf wirtschaftlicher und politischer Macht und andererseits auf der charakterlichen Schwäche allzu vieler Vertreter aus Politik und Wissenschaft, die sich gegen Einwurf kleiner Münzen willig missbrauchen lassen.

 

Mit Wissenschaftlern, deren Forschungsergebnisse der Mobilfunkindustrie missfallen, wird in der Regel wie folgt umgegangen: Ihre Forschungsergebnisse werden so lange wie möglich ignoriert. Wenn dies nicht mehr gelingt, setzt die Kritik ein, die sich nach Belieben steigern lässt. Der Übergang zur Diffamierung ist dann fließend. Dabei geht es nur noch am Rande um die Forschungsergebnisse, das eigentliche Ziel sind dann die Forscher selbst. Ihr beruflicher und wirtschaftlicher und menschlicher Ruin wird, wenn es denn sein muss, dabei billigend in Kauf genommen.

 

All dies habe ich aus Anlass der von mir von 2000 bis 2004 koordinierten und von der EU-Kommission finanzierten REFLEX-Studie, bei der in isolierten menschlichen Zellen nach der Exposition gegenüber der Mobilfunkstrahlung unterhalb des Grenzwertes massive Genschäden festgestellt wurden, auch selbst durchlebt.

 

Jens Wernicke: Was konkret haben Sie erlebt?

 

Franz Adlkofer: Als in Bezug auf die REFLEX-Studie der Phase des Ignorierens und Kritisierens kein Erfolg beschieden war, erfand Alexander Lerchl, Professor an der Vodafone-geförderten privaten Jakobs University in Bremen und Vorzeigewissenschaftler sowohl von IZMF als auch IZgMF, schließlich die Geschichte, dass die REFLEX-Ergebnisse gefälscht seien.

 

Ganz offensichtlich geschah dies, um zu verhindern, dass die von mir in Brüssel eingereichte und von den EU-Gutachtern zur Förderung vorgeschlagene REFLEX-Nachfolgestudie ebenfalls finanziert wird. Zusätzlich sollte erreicht werden, dass die REFLEX-Ergebnisse, die von der Mobilfunkindustrie natürlich als geschäftsschädigend angesehen wurden, aus der wissenschaftlichen Literatur zurückgezogen würden.

 

Während Alexander Lerchl die Förderung der REFLEX-Nachfolgestudie auf diese Weise tatsächlich verhindern konnte, scheiterte er mit seiner Forderung auf Rücknahme der REFLEX-Publikationen.

 

Um seiner Fälschungsbehauptung das nötige Gewicht zu verleihen, bezichtigte er eine Technische Assistentin der Medizinischen Universität Wien namentlich, die REFLEX-Ergebnisse bewusst und absichtlich gefälscht zu haben. Nach meiner und ihres direkten Vorgesetzten Überzeugung war dieser Vorwurf in jeder Beziehung unberechtigt.

 

Nach einem letzten besonders rüden Angriff in einer Fachzeitschrift im Jahre 2014 bot ich der Technischen Assistentin, die unter den Folgen dieser Verleumdung wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden erlitten hatte, eine Kostenübernahme durch die Pandora-Stiftung für unabhängige Forschung an, wenn sie sich nun zur Wehr setzen möchte.

 

Am 13. März 2015 bestätigte das Landgericht Hamburg Alexander Lerchl in seinem Urteil zwar, dass er sich der Verletzung der Persönlichkeitsrechte und der Ehrabschneidung der Technischen Assistentin schuldigt gemacht hat.

 

Der jedoch blieb dennoch bei seiner Behauptung, die Studie sei gefälscht. Wenn die Technische Assistentin die REFLEX-Ergebnisse aber nicht gefälscht hat, was ihm zu behaupten verboten worden war, muss es eben jemand anders gewesen sein. Ob er mit dieser Erklärung das Gericht überzeugen kann, wird sich in Kürze zeigen.

 

Wegen seiner Verdienste um die Interessen der Mobilfunkindustrie wurde Alexander Lerchl von der Bundesregierung 2009 in die staatliche Strahlenschutzkommission berufen. Die Verdienste bestanden im Wesentlichen darin, dass er durch verfehlte Planung, durch verfehlte Durchführung und durch verfehlte Auswertung der ihm im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms übertragenen Forschungsvorhaben das erwünschte Nullergebnisse auch erzielte. Seine Verleumdungskampagne gegen die REFLEX-Studie mag mit zu seiner Wertschätzung in diesen Kreisen beigetragen haben.

 

Die Ernennung Lerchls zum obersten Strahlenschützer Deutschlands kann eigentlich nur als Beweis dafür angesehen werden, dass die Bundesregierung ebenso wie er selbst dem Schutz der Mobilfunkstrahlung vor ihren Kritikern Vorrang vor dem Schutz der Bevölkerung vor den Strahlenrisiken einräumt.

 

Jens Wernicke: Und die Medien – welche Rolle spielen sie in diesem Spiel?

 

Franz Adlkofer: Alexander Lerchls Lügengeschichte wurde von der nationalen und internationalen Presse umgehend aufgegriffen und weltweit als Tatsache verbreitet.

 

In Deutschland taten sich dabei die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, der Tagesspiegel, der Spiegel und das Deutsche Ärzteblatt besonders hervor.

 

Dies geschah wohl kaum aufgrund der Wertschätzung für den Gefälligkeitsforscher der Mobilfunkindustrie Alexander Lerchl, als vielmehr aus der Hoffnung heraus, dass seine Auftraggeber ihre Erwartungshaltung nicht enttäuschen würden.

 

Jens Wernicke: Und haben Sie nicht auch selbst bereits gegen die Süddeutsche prozessiert? Worum ging es dabei und wie ging das Verfahren aus?

 

Franz Adlkofer: Ja, dazu sah ich mich gezwungen, weil in der Süddeutschen Zeitung Mitte 2011 in einem offensichtlich von Alexander Lerchl initiiertem Artikel mit dem Titel „Daten der Handystrahlung gefälscht?“ behauptet wurde, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie so nie von andern Labors reproduziert werden konnten. Dies war für mich eine unwahre Tatsachenbehauptung, mittels derer unsere Studien-Ergebnisse diskreditiert werden sollten.

 

Das Landgericht Hamburg sah dies ebenso und verurteilte die Süddeutsche Zeitung, diese wahrheitswidrige Behauptung in Zukunft zu unterlassen. Die Süddeutsche Zeitung legte gegen das Urteil Berufung ein, die nunmehr seit 4 Jahren anhängig ist. Wie es aussieht, möchte man sich die Mühe der Fortsetzung des Prozesses im Hinblick auf mein fortgeschrittenes Alter von bald 81 Jahren wohl ersparen und spielt, wie es so schön heißt, „auf Zeit“…

 

Jens Wernicke: Nun gibt es inzwischen mehr Mobilfunkverträge als Menschen auf unserer Welt und die Strahlenbelastung nimmt also kontinuierlich zu. Wohin steuern Welt und Gesellschaft hier, wenn das so ungehindert weitergeht?

 

Franz Adlkofer: Diese Frage kann heute kein Wissenschaftler auch nur einigermaßen zuverlässig beantworten. Selbst wenn das Hirntumorrisiko als gesichert erscheint und mit etlicher Wahrscheinlichkeit weitere gesundheitliche Risiken hinzukommen werden, ist die entscheidende Frage, wie hoch das jeweilige Krankheitsrisiko letzten Endes sein wird, völlig ungeklärt. Diese Frage hängt vorerst wie ein Damoklesschwert über der menschlichen Gesellschaft.

 

Jens Wernicke: Was halten Sie von all dem Kinderspielzeug für inzwischen selbst Ein- bis Dreijährige, das immer häufiger funkt und strahlt; und von der Tatsache, dass immer mehr Kindergärten und Schulen – auf Wunsch von Schülern und Eltern, wie es heißt – mit WLAN und anderem ausgerüstet werden?

 

Franz Adlkofer: Es gibt inzwischen Techniken, die es ermöglichen, die von WLAN ausgehende Mobilfunkstrahlung und die Persistenz dieser Strahlung über die Zeitdauer der Strahlenexposition hinaus im menschlichen Organismus nachzuweisen.

 

Das bedeutet, dass durchaus ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und den bei strahlenexponierten Kindern und Jugendlichen inzwischen beschriebenen Verhaltensstörungen bestehen kann, was gegenwärtig vehement abgestritten wird.

 

Solche Befunde sollten eigentlich genügen, um die Politik zu überzeugen, dass WLAN aus den Kindergärten und Schulen so rasch wie möglich verschwinden muss. Jede andere Entscheidung wäre absolut verantwortungslos, weil sie dem Schutz von Kindern und Jugendlichen auf gröbste Weise missachtet.

 

Jens Wernicke: Und welche Chancen sehen Sie, dem Strahlungskartell und seinen Machenschaften entgegenzuwirken?

 

Franz Adlkofer: Die Chancen, den Machenschaften des Strahlungskartells entgegenzuwirken, sehe ich 1) in der wahrheitsgemäßen Aufklärung der Bevölkerung über den gegenwärtigen Stand der Forschung, 2) in der Entfernung der vom Strahlungskartell kontrollierten Wissenschaftler aus den nationalen und internationalen Beratungs- und Entscheidungsgremien, 3) in der Bereitstellung von Forschungsmitteln für die seit Jahrzehnten kaum geförderte unabhängige Wissenschaft, und 4) in der Forderung an das Strahlenkartell, ihre Technologie endlich dem menschlichen Organismus anzupassen, da der umgekehrte Weg nicht möglich ist.

 

Ich befürchte jedoch, dass diese Forderungen erst durchgesetzt werden können, wenn der Anstieg der strahlenbedingten Todesfälle an Hirntumoren – der zweifellos massivsten Bedrohung – nicht mehr zu übersehen ist. Wahrscheinlich werden bis dahin noch viele Jahre vergehen.

 

Jens Wernicke: Gibt es etwas, das wir als Zivilgesellschaft tun könnten; was jeder von uns im Alltag berücksichtigen kann?

 

Franz Adlkofer: Wie es gegenwärtig aussieht, wird die Menschheit mit der Hochfrequenztechnologie trotz der inzwischen offensichtlichen gesundheitlichen Risiken leben müssen, weil die mit ihr verbundenen Vorteile sowohl für die Gesellschaft als auch für den Einzelnen so überwältigend sind, dass man auf sie wohl nicht mehr verzichten wird.

 

Jeder Einzelne ist deshalb gut beraten, wenn er sich ernsthaft bemüht, seine Strahlenbelastung durch den richtigen Umgang mit den entsprechenden Geräten so gering wie möglich zu halten.

 

Jens Wernicke: Noch ein letztes Wort?

 

Franz Adlkofer: Karl Friedrich von Weizäcker sagte einmal, dass es kein Problem gäbe, das nicht durch gemeinsame Anstrengung der Vernunft lösbar wäre, dass unsere politische Ordnung, unser gesellschaftlicher Zustand und unsere seelische Verfassung diese gemeinsame Vernunft jedoch fast unmöglich machen würden. Schade, dass er recht hatte.

 

Jens Wernicke: Ich bedanke mich für das Gespräch.

Mobilfunkstrahlung:

Das Strahlungskartell

Von Published On: 28. November 2016Kategorien: Allgemein

Jens Wernicke: Herr Adlkofer, Sie sind einer der renommiertesten Kritiker der inzwischen gigantischen Mobilfunkindustrie, die, schenkt man den Darstellungen des Films „Das Strahlungskartell“ glauben, alles dafür tut, um „geschäftsschädigende Kritik“ an ihrem Wirken zu unterdrücken und mundtot zu machen. Worüber sprechen wir hier? Was ist das Problem an Mobilfunk sowie am „Strahlungskartell“?

 

Franz Adlkofer: Auch wenn ich in diesem vorkomme, habe ich ihn, da er gerade erst auf DVD erschienen ist, selbst leider noch nicht sehen können. Der Überschrift „Das Strahlungskartell“ und den Einführungssätzen entnehme ich, dass über die Netzbetreiber nicht viel Gutes berichtet wird. Dafür habe ich großes Verständnis. Wie sie ihre Interessen durchsetzen, ist mit dem Begriff „institutionelle Korruption“, die sich im Grenzbereich zwischen legal und illegal bewegt, höchst unzureichend beschrieben. Im Umgang mit mir scheute man jedenfalls auch vor kriminellen Methoden nicht zurück, um mir meine Glaubwürdigkeit zu nehmen, was so ziemlich das Schlimmste ist, was einem Wissenschaftler geschehen kann.

 

Zur Sache: Der Schutz der Menschen vor der Hochfrequenzstrahlung, wie er seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zunächst vom US-Militär und nach Beendigung des Kalten Krieges von der Strahlenindustrie jeweils im Einverständnis mit der Politik propagiert wird, beruht auf einer großen Lüge. Die damals entstandenen und heute noch geltenden Grenzwerte sind nämlich nicht mehr und nicht weniger als ein Phantasieprodukt, mit dem das Militär seine technischen und die Strahlungsindustrie ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen verstand.

 

Menschen, die dieser Strahlung ausgesetzt sind, schützen diese Grenzwerte lediglich vor Verbrennungen, wovor sich jeder Betroffene allerdings auch von sich aus schützen würde, weil Verbrennungen schmerzhaft sind. Beim Schutz vor strahlungsbedingten Erkrankungen, die bereits weit unterhalb der Grenzwerte auftreten können und sich in aller Regel langsam entwickeln, sind diese Grenzwerte ohne jede Wirkung.

 

Seit Jahrzehnten wird der profitable Status quo aufrecht erhalten, indem wie im Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramm Pseudoforschung gefördert und echte Forschung behindert wird. Forschungsmittel werden bevorzugt an willfährige Wissenschaftler mit der richtigen Meinung unter Kontrolle der Mobilfunkindustrie vergeben, unabhängige Forscher erhalten nur Fördermittel, wenn die von ihnen zu erwartenden Ergebnisse mehr oder weniger bedeutungslos sind. Schlimmer noch: Diese Wissenschaftler werden dann benutzt um zu zeigen, dass bei der Vergabe der Forschungsmittel alles mit rechten Dingen zuging. Und die Politik – sei es, dass sie nichts davon bemerkt oder mit allem einverstanden ist – hüllt sich in Schweigen.

 

Wer dies alles öffentlich zu sagen bereit ist, braucht sich – wie ich als Betroffener versichern kann – über den Umgang, den er hiernach von der Mobilfunkindustrie, ihren Söldnern aus der Wissenschaft und darüber hinaus auch von der Politik erfährt, nicht zu wundern.

 

Jens Wernicke: Das scheint im Moment ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, das ebenso andere Bereiche von Forschung und Wissenschaft betrifft und beispielsweise beim Thema Pestizide bereits verheerende Folgen gezeitigt hat. Was genau ist bezüglich der Mobilfunkstrahlung denn der aktuelle Forschungs- und Wissensstand?

 

Franz Adlkofer: Gegenwärtig steht für mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Mobilfunkstrahlung bei Langzeit- und Häufignutzern des Mobiltelefons Hirntumore verursachen kann.

 

Weniger überzeugend erscheint mir aktuell die Beweislage für die vielen anderen Erkrankungen, auf die im Film „Das Strahlenkartell“ hingewiesen wird. Doch die Chancen, dass eines Tages auch dafür die erforderlichen Belege erbracht werden, stehen durchaus gut.

 

Dass es unter den Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen und die bereits auf niedrigste Strahlenbelastungen mit Krankheitssymptomen reagieren, viele gibt, die tatsächlich elektrosensitiv sind, erscheint mir ebenfalls als weitgehend gesichert.

 

Jens Wernicke: Und das ist alles seriös be- und mit Studien hinterlegt? 

 

Franz Adlkofer: Ja. Dass wir wohl in absehbarer Zeit wohl mit einem nicht mehr übersehbaren Anstieg von Hirntumoren rechnen müssen, habe ich in meinem Artikel „Neues von der NTP-Studie“ begründet.

 

Was den unbefriedigenden Stand des Wissens über Erkrankungen auch anderer Organe oder Systeme des menschlichen angeht, worauf zahlreichen Publikationen hinweisen, ist dies vor allem der einseitigen Forschungsförderung und damit der Forschungsbehinderung durch Industrie und Politik geschuldet.

 

Jens Wernicke: In den Medien wird ja in aller Regel das genaue Gegenteil dargestellt: alles sei sicher, die Kritiker wären nicht recht bei Verstand etc.

 

Franz Adlkofer: Der Einfluss der Mobilfunkbetreiber auf die Medien, selbst auf die besonders elitären, die voller Stolz auf den eigenen hohen moralisch-ethischen Standard verweisen, ist überwältigend.

 

Sie drucken alles ab, was ihnen von Wissenschaftlern vorgetragen wird, die offen oder verdeckt mit der Mobilfunkindustrie zusammenarbeiten. Diese Wissenschaftler stellen sich bei ihnen in der Regel als Mitglieder wichtiger nationaler und internationaler Beratungs- und Entscheidungsgremien vor, in denen sie aufgrund ihrer richtigen Meinung von der Politik auf Wunsch der Mobilfunkindustrie untergebracht wurden.

 

Im Gegensatz zu den zwecks Erhöhung ihres Marktwertes mit Amt und Würden ausgestatteten Söldnern des Strahlungskartells werden Erkenntnisse unabhängiger Wissenschaftler, die sich nur dem eigenen Gewissen verpflichtet fühlen, völlig ignoriert. Sie selbst werden als Außenseiter angesehen oder schlichtweg als Verrückte diffamiert.

 

Jens Wernicke: Warum wissen wir als Verbraucher so wenig über die Auswirkungen der steigenden Strahlenbelastung? 

 

Franz Adlkofer: Jeder Mensch, der wirklich wissen möchte, was da geschieht, hätte hinreichend Gelegenheit, sich über die möglichen gesundheitlichen Risiken der Hochfrequenzstrahlung zu informieren.

 

Nur wenige machen jedoch davon Gebrauch, zum einen weil sie sich nicht mit Wissen belasten möchten, das ihren Umgang mit dieser sehr hilfreichen und deshalb zu Recht geschätzten Technologie beeinträchtigen könnte. Zum andern tun sie es auch deshalb nicht, weil ihnen von der Mobilfunkindustrie und ihren Interessensvertretern aus der Wissenschaft, aber auch von der Politik seit Jahren vorgegaukelt wird, dass die Technologie bei Einhaltung der Grenzwerte absolut harmlos sei.

 

Die Medien tragen zu dieser Fehlinformation der Bevölkerung zu einem erheblichen Teil bei. Offensichtlich erwarten sie für ihre Zurückhaltung bei der Darstellung der Risiken der Hochfrequenzstrahlung von der Mobilfunkindustrie Gegenleistungen. Das Werbebudget der Mobilfunkindustrie, das das der Zigarettenindustrie von einst bei Weitem übertrifft, ist scheinbar für sie so verführerisch, dass sie sich bei ihrer Berichterstattung weniger der Wahrheit als den Interessen der Mobilfunkindustrie verpflichtet fühlen.

 

Jens Wernicke: Im Film wird nun ja auch klargestellt, dass zusätzlich zu allem anderen im Hintergrund oft auch riesige PR-Agenturen agieren, die Geld dafür erhalten, kritische Forschung zu verunmöglichen und Menschen wie Ihnen mit allen Tricks und Kniffen die Glaubwürdigkeit zu entziehen…

 

Franz Adlkofer: In den USA ist das ganz sicher der Fall. Das Strahlungskartell hat von der Zigarettenindustrie all die Tricks übernommen, mit denen diese die Risiken des Rauchens über Jahrzehnte hinweg so verschleierte, dass sie den Menschen weitgehend verborgen blieben.

 

Teil dieser Strategie ist die Gründung angeblich unabhängiger Forschungs- und Informationszentren, die Industrieinteressen in wichtigen gesellschaftlich relevanten Bereichen möglichst unauffällig, aber wirksam vertreten. In Deutschland schuf sich die Mobilfunkindustrie für diesen Zweck zunächst die Forschungsgemeinschaft Funk, kurz FGF, die sich von 1992 bis 2009 innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft sehr erfolgreich für die Verharmlosung der Mobilfunkstrahlung einsetzte. Von 2001 bis 2015 kam das Informationszentrum Mobilfunk, kurz IZMF, hinzu, das sich schwerpunktmäßig um die Fortbildung von Lehrern und Ärzten in Sachen Mobilfunk im Sinne der Mobilfunkindustrie bemühte.

 

Beide Organisationen, besonders aber letztgenannte, die über viele Jahre hinweg eng mit dem Deutschen Ärzteblatt zusammenarbeitete, waren mit ihrer Tätigkeit ausgesprochen erfolgreich, so erfolgreich, dass sie schließlich von den Netzbetreibern sang- und klanglos abgeschafft werden konnten, weil inzwischen staatliche Organisationen wie das Bundesamt für Strahlenschutz und die Strahlenschutzkommission wie von selbst ihre Aufgaben übernommen hatten.

 

Diese beiden staatlichen Organisationen wiederum arbeiten eng mit der WHO und der Internationalen Kommission zum Schutze vor der nicht-ionisierenden Strahlung. kurz ICNIRP, zusammen, in denen die Vertrauensleute des internationalen Strahlungskartells seit Jahren das Sagen haben.

 

In Deutschland gibt es noch eine weitere Einrichtung, das sogenannte Informationszentrum gegen Mobilfunk, kurz IZgMF, das im Widerspruch zu seinem Namen die Interessen der Mobilfunkindustrie auf ganz besondere Weise vertritt. Es ist ganztägig damit beschäftigt, Kritiker des Mobilfunks, seien es Laien oder Wissenschaftler, mit Schmutz zu bewerfen. Dies ist auch mit mir geschehen. Der Verleumdungsprozess vor dem Landgericht Berlin im Jahre 2010 lieferte dann auch die Bestätigung für die moralische Verkommenheit der Forumbetreiber. Nur die dümmsten der Dummen zweifeln noch daran, dass das IZgMF für seine Treu und Glauben vernichtende Tätigkeit von der Mobilfunkindustrie ausgehalten wird.

 

Eine weitere Einrichtung, die ebenfalls auf dem Niveau des IZgMF arbeitet, ist Psiram, dessen sich die Wirtschaft insgesamt bedient, um alles, was ihren Interessen schaden könnte, als Quacksalberei, Scharlatanerie und Täuschung aus dem Wege räumen zu lassen. Psiram, das international tätig ist und sich fürsorglich im rechtsfreien Raum angesiedelt hat, sieht sich nach eigenem Bekunden dem kritischen Verbraucherschutz verpflichtet. Eine solche Möglichkeit lässt sich natürlich auch das Strahlungskartell nicht entgehen, um mit denen abzurechnen, die ihren Interessen im Wege stehen. Dies ist auch mit den Autoren der REFLEX-Studie geschehen, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen müssen.

 

Für das IZgMF und Psiram fällt mir nur noch ein: „Zeig mir deine Freunde, und ich sag dir wer du bist.“

 

Jens Wernicke: Was hat es in diesem Zusammenhang mit einem sogenannten „War Game Memo“ auf sich, dass die gigantische PR-Firma Burson-Marsteller im Auftrag des „Strahlungskartelles“ erstellt haben soll?

 

Franz Adlkofer: Der Begriff War Gaming wurde meines Wissens 1994 von der amerikanischen Mobilfunkfirma Motorola geprägt, um ihrem Vorgehen gegen die Wissenschaftler Lai und Singh an der University of Washington in den USA, die gentoxische Veränderungen in Hirnzellen strahlenexponierter Ratten festgestellt hatten, einen bildhaften Namen zu geben.

 

Mit dem „Kriegspielen“ gegen diese beiden Forscher sollte erreicht werden, dass sie vom Präsidenten der Universität gefeuert werden, was dieser ablehnte, und dass ihre Forschungsförderung unverzüglich eingestellt wird, was tatsächlich geschah.

 

Jens Wernicke: Von was für Strategien der „Kriegsführung“ sprechen wir hier konkret?

 

Franz Adlkofer: Das Vorgehen des Strahlungskartells, von dem es heißt, es sei zu groß, um unterzugehen, beruht nicht auf Witz und Verstand, sondern einerseits auf wirtschaftlicher und politischer Macht und andererseits auf der charakterlichen Schwäche allzu vieler Vertreter aus Politik und Wissenschaft, die sich gegen Einwurf kleiner Münzen willig missbrauchen lassen.

 

Mit Wissenschaftlern, deren Forschungsergebnisse der Mobilfunkindustrie missfallen, wird in der Regel wie folgt umgegangen: Ihre Forschungsergebnisse werden so lange wie möglich ignoriert. Wenn dies nicht mehr gelingt, setzt die Kritik ein, die sich nach Belieben steigern lässt. Der Übergang zur Diffamierung ist dann fließend. Dabei geht es nur noch am Rande um die Forschungsergebnisse, das eigentliche Ziel sind dann die Forscher selbst. Ihr beruflicher und wirtschaftlicher und menschlicher Ruin wird, wenn es denn sein muss, dabei billigend in Kauf genommen.

 

All dies habe ich aus Anlass der von mir von 2000 bis 2004 koordinierten und von der EU-Kommission finanzierten REFLEX-Studie, bei der in isolierten menschlichen Zellen nach der Exposition gegenüber der Mobilfunkstrahlung unterhalb des Grenzwertes massive Genschäden festgestellt wurden, auch selbst durchlebt.

 

Jens Wernicke: Was konkret haben Sie erlebt?

 

Franz Adlkofer: Als in Bezug auf die REFLEX-Studie der Phase des Ignorierens und Kritisierens kein Erfolg beschieden war, erfand Alexander Lerchl, Professor an der Vodafone-geförderten privaten Jakobs University in Bremen und Vorzeigewissenschaftler sowohl von IZMF als auch IZgMF, schließlich die Geschichte, dass die REFLEX-Ergebnisse gefälscht seien.

 

Ganz offensichtlich geschah dies, um zu verhindern, dass die von mir in Brüssel eingereichte und von den EU-Gutachtern zur Förderung vorgeschlagene REFLEX-Nachfolgestudie ebenfalls finanziert wird. Zusätzlich sollte erreicht werden, dass die REFLEX-Ergebnisse, die von der Mobilfunkindustrie natürlich als geschäftsschädigend angesehen wurden, aus der wissenschaftlichen Literatur zurückgezogen würden.

 

Während Alexander Lerchl die Förderung der REFLEX-Nachfolgestudie auf diese Weise tatsächlich verhindern konnte, scheiterte er mit seiner Forderung auf Rücknahme der REFLEX-Publikationen.

 

Um seiner Fälschungsbehauptung das nötige Gewicht zu verleihen, bezichtigte er eine Technische Assistentin der Medizinischen Universität Wien namentlich, die REFLEX-Ergebnisse bewusst und absichtlich gefälscht zu haben. Nach meiner und ihres direkten Vorgesetzten Überzeugung war dieser Vorwurf in jeder Beziehung unberechtigt.

 

Nach einem letzten besonders rüden Angriff in einer Fachzeitschrift im Jahre 2014 bot ich der Technischen Assistentin, die unter den Folgen dieser Verleumdung wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden erlitten hatte, eine Kostenübernahme durch die Pandora-Stiftung für unabhängige Forschung an, wenn sie sich nun zur Wehr setzen möchte.

 

Am 13. März 2015 bestätigte das Landgericht Hamburg Alexander Lerchl in seinem Urteil zwar, dass er sich der Verletzung der Persönlichkeitsrechte und der Ehrabschneidung der Technischen Assistentin schuldigt gemacht hat.

 

Der jedoch blieb dennoch bei seiner Behauptung, die Studie sei gefälscht. Wenn die Technische Assistentin die REFLEX-Ergebnisse aber nicht gefälscht hat, was ihm zu behaupten verboten worden war, muss es eben jemand anders gewesen sein. Ob er mit dieser Erklärung das Gericht überzeugen kann, wird sich in Kürze zeigen.

 

Wegen seiner Verdienste um die Interessen der Mobilfunkindustrie wurde Alexander Lerchl von der Bundesregierung 2009 in die staatliche Strahlenschutzkommission berufen. Die Verdienste bestanden im Wesentlichen darin, dass er durch verfehlte Planung, durch verfehlte Durchführung und durch verfehlte Auswertung der ihm im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms übertragenen Forschungsvorhaben das erwünschte Nullergebnisse auch erzielte. Seine Verleumdungskampagne gegen die REFLEX-Studie mag mit zu seiner Wertschätzung in diesen Kreisen beigetragen haben.

 

Die Ernennung Lerchls zum obersten Strahlenschützer Deutschlands kann eigentlich nur als Beweis dafür angesehen werden, dass die Bundesregierung ebenso wie er selbst dem Schutz der Mobilfunkstrahlung vor ihren Kritikern Vorrang vor dem Schutz der Bevölkerung vor den Strahlenrisiken einräumt.

 

Jens Wernicke: Und die Medien – welche Rolle spielen sie in diesem Spiel?

 

Franz Adlkofer: Alexander Lerchls Lügengeschichte wurde von der nationalen und internationalen Presse umgehend aufgegriffen und weltweit als Tatsache verbreitet.

 

In Deutschland taten sich dabei die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, der Tagesspiegel, der Spiegel und das Deutsche Ärzteblatt besonders hervor.

 

Dies geschah wohl kaum aufgrund der Wertschätzung für den Gefälligkeitsforscher der Mobilfunkindustrie Alexander Lerchl, als vielmehr aus der Hoffnung heraus, dass seine Auftraggeber ihre Erwartungshaltung nicht enttäuschen würden.

 

Jens Wernicke: Und haben Sie nicht auch selbst bereits gegen die Süddeutsche prozessiert? Worum ging es dabei und wie ging das Verfahren aus?

 

Franz Adlkofer: Ja, dazu sah ich mich gezwungen, weil in der Süddeutschen Zeitung Mitte 2011 in einem offensichtlich von Alexander Lerchl initiiertem Artikel mit dem Titel „Daten der Handystrahlung gefälscht?“ behauptet wurde, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie so nie von andern Labors reproduziert werden konnten. Dies war für mich eine unwahre Tatsachenbehauptung, mittels derer unsere Studien-Ergebnisse diskreditiert werden sollten.

 

Das Landgericht Hamburg sah dies ebenso und verurteilte die Süddeutsche Zeitung, diese wahrheitswidrige Behauptung in Zukunft zu unterlassen. Die Süddeutsche Zeitung legte gegen das Urteil Berufung ein, die nunmehr seit 4 Jahren anhängig ist. Wie es aussieht, möchte man sich die Mühe der Fortsetzung des Prozesses im Hinblick auf mein fortgeschrittenes Alter von bald 81 Jahren wohl ersparen und spielt, wie es so schön heißt, „auf Zeit“…

 

Jens Wernicke: Nun gibt es inzwischen mehr Mobilfunkverträge als Menschen auf unserer Welt und die Strahlenbelastung nimmt also kontinuierlich zu. Wohin steuern Welt und Gesellschaft hier, wenn das so ungehindert weitergeht?

 

Franz Adlkofer: Diese Frage kann heute kein Wissenschaftler auch nur einigermaßen zuverlässig beantworten. Selbst wenn das Hirntumorrisiko als gesichert erscheint und mit etlicher Wahrscheinlichkeit weitere gesundheitliche Risiken hinzukommen werden, ist die entscheidende Frage, wie hoch das jeweilige Krankheitsrisiko letzten Endes sein wird, völlig ungeklärt. Diese Frage hängt vorerst wie ein Damoklesschwert über der menschlichen Gesellschaft.

 

Jens Wernicke: Was halten Sie von all dem Kinderspielzeug für inzwischen selbst Ein- bis Dreijährige, das immer häufiger funkt und strahlt; und von der Tatsache, dass immer mehr Kindergärten und Schulen – auf Wunsch von Schülern und Eltern, wie es heißt – mit WLAN und anderem ausgerüstet werden?

 

Franz Adlkofer: Es gibt inzwischen Techniken, die es ermöglichen, die von WLAN ausgehende Mobilfunkstrahlung und die Persistenz dieser Strahlung über die Zeitdauer der Strahlenexposition hinaus im menschlichen Organismus nachzuweisen.

 

Das bedeutet, dass durchaus ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und den bei strahlenexponierten Kindern und Jugendlichen inzwischen beschriebenen Verhaltensstörungen bestehen kann, was gegenwärtig vehement abgestritten wird.

 

Solche Befunde sollten eigentlich genügen, um die Politik zu überzeugen, dass WLAN aus den Kindergärten und Schulen so rasch wie möglich verschwinden muss. Jede andere Entscheidung wäre absolut verantwortungslos, weil sie dem Schutz von Kindern und Jugendlichen auf gröbste Weise missachtet.

 

Jens Wernicke: Und welche Chancen sehen Sie, dem Strahlungskartell und seinen Machenschaften entgegenzuwirken?

 

Franz Adlkofer: Die Chancen, den Machenschaften des Strahlungskartells entgegenzuwirken, sehe ich 1) in der wahrheitsgemäßen Aufklärung der Bevölkerung über den gegenwärtigen Stand der Forschung, 2) in der Entfernung der vom Strahlungskartell kontrollierten Wissenschaftler aus den nationalen und internationalen Beratungs- und Entscheidungsgremien, 3) in der Bereitstellung von Forschungsmitteln für die seit Jahrzehnten kaum geförderte unabhängige Wissenschaft, und 4) in der Forderung an das Strahlenkartell, ihre Technologie endlich dem menschlichen Organismus anzupassen, da der umgekehrte Weg nicht möglich ist.

 

Ich befürchte jedoch, dass diese Forderungen erst durchgesetzt werden können, wenn der Anstieg der strahlenbedingten Todesfälle an Hirntumoren – der zweifellos massivsten Bedrohung – nicht mehr zu übersehen ist. Wahrscheinlich werden bis dahin noch viele Jahre vergehen.

 

Jens Wernicke: Gibt es etwas, das wir als Zivilgesellschaft tun könnten; was jeder von uns im Alltag berücksichtigen kann?

 

Franz Adlkofer: Wie es gegenwärtig aussieht, wird die Menschheit mit der Hochfrequenztechnologie trotz der inzwischen offensichtlichen gesundheitlichen Risiken leben müssen, weil die mit ihr verbundenen Vorteile sowohl für die Gesellschaft als auch für den Einzelnen so überwältigend sind, dass man auf sie wohl nicht mehr verzichten wird.

 

Jeder Einzelne ist deshalb gut beraten, wenn er sich ernsthaft bemüht, seine Strahlenbelastung durch den richtigen Umgang mit den entsprechenden Geräten so gering wie möglich zu halten.

 

Jens Wernicke: Noch ein letztes Wort?

 

Franz Adlkofer: Karl Friedrich von Weizäcker sagte einmal, dass es kein Problem gäbe, das nicht durch gemeinsame Anstrengung der Vernunft lösbar wäre, dass unsere politische Ordnung, unser gesellschaftlicher Zustand und unsere seelische Verfassung diese gemeinsame Vernunft jedoch fast unmöglich machen würden. Schade, dass er recht hatte.

 

Jens Wernicke: Ich bedanke mich für das Gespräch.