Alfred McCoy:

Die NSA und „die Kontrolle der Zukunft“

Von Published On: 13. Januar 2017Kategorien: Allgemein

Vor dem Hintergrund langfristig eher geringer, denn größer werdender Finanzmittel der öffentlichen Hand, die zum Führen von Überseekriegen zur Verfügung stehen, lässt sich die Aktivität der National Security Agency (NSA) erklären, wie der US-Historiker Alfred McCoy nahelegt. Über die Informationsschwemme, die durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in ausgesuchten Organen der internationalen Presse Mitte / Ende 2013 enthüllt wurde, schreibt McCoy, dass „niemand auf die Kombination von Faktoren (hinwies), die die Erweiterung der NSA-Programme zur Beobachtung der Welt zu einer Slam Dunk-Entwicklung für Washington machten“. Dabei sei die Erklärung doch „denkbar einfach. Für eine imperiale Macht, die ihren wirtschaftlichen Klammergriff um den Planeten verliert und in Richtung strengere Zeiten marschiert, sehen die neuesten technologischen Durchbrüche der NSA wie ein Schnäppchen-Angebot aus, wenn es um das Projizieren von Macht und das In-Reihe-Halten von Verbündeten geht.“ (1)

 

Aus historischer Perspektive legt McCoy dar:

 

„Seit mehr als einem Jahrhundert, von der Befriedung der Philippinen im Jahre 1898 bis hin zu Handels-Verhandlungen mit der Europäischen Union heute, sind die Überwachung und ihre Cousins, die Skandale und skurrilen Informationen, eine Schlüsselwaffe um die globale Herrschaft für Washington gewesen. Nicht überraschend haben George W. Bush und Barack Obama in einer parteiübergreifenden post-9/11-Ausübung der Exekutivgewalt den Vorsitz über den schrittweisen Aufbau der NSA in ein geheimes digitales Panoptikum innegehabt, um die Kommunikation von jedem amerikanischen und ausländischen Führer weltweit zu überwachen.

 

Was genau war das Ziel eines solch beispiellosen Programms der massiven inländischen und planetaren Spionage, die die Gefahr von Kontroversen im In- und Ausland in sich trug? Hier kann uns ein Bewusstsein für die mehr als hundertjährige Geschichte der US-Überwachung (…) zur strategischen Bedeutung eines solchen Programms für die letzte Supermacht der Erde führen.“ Die Vergangenheit zeige, so McCoy, „eine langfristige Beziehung zwischen amerikanischer staatlicher Überwachung und politischen Skandalen“, und diese Beziehung könne helfen, „den unbestätigten Grund zu beleuchten, warum die NSA engste Verbündete Amerikas überwacht.

 

Nicht nur hilft eine solche Überwachung beim Gewinnen von Geheiminformationen, die von Vorteil für die US-Diplomatie, die Handelsbeziehungen und Kriegsführung sind, sondern sie schöpft auch intime Informationen ab, die Hebelwirkung – ähnlich wie Erpressung – bei sensiblen globalen Geschäften und Verhandlungen aller Art haben können. Das globale Panoptikum der NSA erfüllt damit einen alten Traum von Imperien. Mit wenigen Tastendrücken eines Computers hat die Behörde das Problem gelöst, das die Weltmächte zumindest seit der Zeit von Kaiser Augustus plagte: wie kontrolliert man widerspenstige lokale Führer, die die Grundlage für die imperiale Herrschaft sind, indem man entscheidende, oft skurrile Informationen aufspürt, um sie geschmeidiger zu machen.“ (2)

 

Und hier folgen nun die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Vorgang zu betrachten ist:

 

„Da die Lücke zwischen der globalen Reichweite Washingtons und dessen geschrumpfter gepanzerten Faust gewachsen ist, indem es darum kämpft, 40% der Welt-Rüstung mit nur 23% der weltweiten Bruttowirtschaftsleistung aufrecht zu halten, müssen die USA neue Wege finden, ihre Macht weitaus wirtschaftlicher auszuüben. Als der Kalte Krieg anzog, war das Heavy-Metal-US-Militär – mit 500 Basen weltweit um ungefähr 1950 herum – nachhaltig, weil das Land rund 50 % des globalen Bruttosozialprodukts kontrollierte.

 

Indem sein Anteil an der Weltproduktion jedoch fällt – auf geschätzte 17% bis zum Jahr 2016 – und seine sozialen Wohlfahrtskosten unaufhaltsam von 4% des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2010 auf voraussichtlich 18% im Jahre 2050 steigen, wird eine Kostensenkung unumgänglich, wenn Washington als ,einzige Supermacht‘ der Erde überstehen will. Im Vergleich zu den $ 3 Billionen an Kosten für die USA zur Invasion und Besetzung des Irak, sieht der NSA-Haushalt 2012 von nur $11 Milliarden für die weltweite Überwachung und Cyberkriegsführung wie eine Kostenersparnis aus, auf die das Pentagon schlecht verzichten kann.

 

Durch das Sammeln von Wissen – routinemäßiges, intimes oder skandalöses – über ausländische Staats- und Regierungschefs haben kaiserliche Statthalter des alten Roms bis hin zum modernen Amerika sowohl das Geheimwissen wie auch die Aura der Autorität gewonnen, die für die Herrschaft über fremde Gesellschaften notwendig sind. Die Bedeutung und Herausforderung, diese lokalen Eliten zu kontrollieren, kann nicht überbewertet werden. Während der Befriedung der Philippinen nach 1898 zum Beispiel hielt das US-Kolonialregime umstrittene Filipino-Führer durch die Überwachung, die politische Geheiminformationen und persönliche Skandale hervorbrachte, klein. Und das war natürlich genau das, was J. Edgar Hoover in Washington in den 1950er und 1960er Jahren tat.“

 

Mit dem „überschwellenden Fluss von NSA-Dokumenten“, den Edward Snowden freisetzte, habe die Öffentlichkeit „einen Einblick in die veränderte Architektur der globalen US-Macht“ erlangt. „Im weitesten Sinne ergänzt Obamas digitaler ,Pivot’ seine gesamte Verteidigungsstrategie, die er 2012 zur Reduzierung konventioneller Streitkräfte ankündigte, während die Expansion in die neuen, kostengünstigen Domänen des Cyberspace vorangetrieben werden.“ Derweil im Rüstungsbereich und bei der Größe des Militärs „bescheidene Abstriche“ gemacht wurden, „hat Präsident Obama Milliarden in den Bau einer neuen Architektur für die globale Informationskontrolle investiert.“ (3)

 

Eine Zukunftsinvestition in einen neuen Weltmachtapparat, die McCoy auf insgesamt $ 1.2 Billionen beziffert. (4)

 

Im Grunde ist das, was gerade beschrieben wurde, eine Spielart der Frage, „wie man das meiste Territorium mit den wenigsten Akteuren als möglich kontrolliert.“ (5)

 

In deutlichen Umrissen zeichnet sich „die Kontrolle der Zukunft“ und „das neue Erdzeitalter“ ab, wie sich Elmar Altvater für die „Blätter für deutsche und internationale Politik“ ausdrückte:

 

„Snowden hat bloßgelegt, in welchem Ausmaß die Fünferbande der Geheimdienste – die ,Five Eyes‘ aus den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland – die Bürgerinnen und Bürger in aller Welt ausspionieren, in welch planetarischer Größenordnung sie Daten klauen, speichern und für ihre Zwecke nutzen – und damit die Privatheit aller Menschen zerstören, die nach Art. 12 der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen geschützt ist. Damit aber ist auch die Meinungsfreiheit, die Grundlage von politischer Betätigung wie auch von Widerstand gegen die Herrschenden, im Kern bedroht und folglich auch die Demokratie.

 

Die Geheimdienste rechtfertigen ihre gemeingefährlichen Machenschaften – die Wissensbeschaffung aus der planetarischen Cloud, aus den verschlüsselten Handys von Regierungschefs wie Angela Merkel oder Dilma Rousseff und aus der unübersehbaren Masse (un)verschlüsselter E-Mails normaler Bürgerinnen und Bürger – mit dem fadenscheinigen Argument, es ginge um Früherkennung terroristischer Aktivitäten und damit um den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Doch die Bespitzelung der Welt ist mehr als ein gigantischer Datenfischzug im ,World Wide Web‘ im Dienste der ,Sicherheit‘. Sie passt nämlich exakt zu den Denk- und Handlungsmustern, die das Geo-Engineering einer neuen Menschheitsepoche bestimmen.“

 

Es werde „mit sophistischen technischen Mitteln“ eine planetarische Verwaltung oder „planetary stewardship“ eingerichtet, will heißen: „ein effizientes Management mit Prokura für den Planeten Erde (…), um nicht nur den Informationsfluss, sondern die vielfältigen sonstigen Krisenprozesse unserer Zeit zu steuern – bei Aufrechterhaltung des herrschenden kapitalistischen Systems.“ (6)

 

In diesem argumentativen Fahrwasser bewegt sich auch Snowden-Mittelsmann Glenn Greenwald, wenn er schreibt:

 

„Lange Zeit galt das Internet als ein beispielloses Instrument der Demokratisierung und Liberalisierung, ja sogar der Emanzipation. Nach Ansicht der amerikanischen Regierung aber drohen dieses weltweite Netzwerk und andere Kommunikationstechnologien die Macht der USA zu untergraben. Aus dieser Sicht betrachtet, ist das zentrale Ziel der NSA, ,alles zu sammeln‘, letztlich schlüssig. Die Beobachtung sämtlicher Bereiche des Internets und aller anderen Kommunikationsmittel durch die NSA ist entscheidend dafür, dass niemand der Kontrolle der amerikanischen Regierung entgeht.“

 

Es sei, so Greenwald, „leicht zu verstehen, warum die Behörden in den USA, aber auch in anderen westlichen Ländern, der Versuchung unterlagen, ein derart omnipräsentes Spionagesystem zu entwickeln, das auch – und nicht zuletzt – gegen die eigenen Bürger gerichtet ist. Eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich, die durch den Zusammenbruch des Finanzsektors im Jahr 2008 noch vertieft wurde, hat zu einer schweren innenpolitischen Instabilität geführt.“

 

Konfrontiert mit Unruhen stünden Machthaber im Allgemeinen vor zwei Alternativen: „die Bevölkerung mit symbolischen Zugeständnissen zu beschwichtigen oder ihre Kontrolle zu festigen, um die eigenen Interessen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Die Eliten im Westen scheinen die zweite Option als die beste, vielleicht als den einzig gangbaren Weg zu betrachten, um ihre Position zu wahren. Die Occupy-Bewegung wurde mit Gewalt – durch Tränengas, Pfefferspray – und durch strafrechtliche Verfolgung zerschlagen. Polizeikräfte, die wie paramilitärische Einheiten agierten, zeigten in allen amerikanischen Städten massive Präsenz und trieben mit Waffen, wie man sie auf den Straßen Bagdads gesehen hatte, die weitgehend friedlichen Demonstranten auseinander, die sich legal versammelt hatten. Die Strategie war, Angst vor der Beteiligung an Protestmärschen und Demonstrationen zu erzeugen, und sie funktionierte. Gleichzeitig verfolgte man damit das umfassendere Ziel, das Gefühl hervorzurufen, dass ein solcher Widerstand gegen ein starkes und undurchschaubares Establishment sinnlos ist.

 

Um all das zu erreichen, ist ein System allgegenwärtiger Überwachung noch viel wirksamer. Wenn die Regierung alles beobachtet, was die Menschen tun, wird allein schon das Organisieren von Widerstand schwierig. Aber die Massenüberwachung erstickt jedes abweichende Verhalten auch auf einer tieferen und noch entscheidenderen Ebene: im Kopf. Der Einzelne richtet sich selbst dazu ab, nur noch in eine Richtung zu denken, die erwartet und verlangt wird.“ (7)

 

Im Kontext der Eindämmung von Massenprotesten arbeitet das Pentagon an der Militarisierung der Sozial- und Verhaltensforschung, um sie gezielt gegen unliebsame politische Bewegungen einsetzen zu können. Das Pentagon betreibt ein Forschungsprogramm, das Universitäten finanziert, „um die Dynamik, Risiken und Wendepunkte großer Unruhen in der ganzen Welt zu modellieren“, jeweils „unter der Aufsicht von verschiedenen US-Militärbehörden. Das Multi-Millionen-Dollar-Programm wurde entwickelt, um sofortige und langfristige ,Warfighter-relevante Erkenntnisse’“ für hohe Entscheidungsträger zu liefern. (8)

 

Gestartet im Jahre 2008, geht das Verteidigungsministeium (Department of Defense, DoD) bei der sogenannten „Minerva-Forschungsinitiative“ Partnerschaften mit Hochschulen ein, „um das grundlegende Verständnis des DoD von den sozialen, kulturellen, verhaltensbezogenen und politischen Kräften zu verbessern“, die jene Regionen der Welt beeinflussen, „die von strategischer Bedeutung für die USA sind.“ (9)

 

Das Programm umfasst eine Studie, an der die Cornell University unter dem Management des US Air Force Office of Scientific Research führend beteiligt ist. Sie soll „ein empirisches Modell ,der Dynamik der Mobilisierung und Ansteckung sozialer Bewegungen‘ entwickeln. Das Projekt wird „den kritische Massen (-Umkehrpunkt)“ sozialer Ansteckungen durch das Studium ihrer ,digitalen Spuren‘ bestimmen“, die 2011 bei der ägyptischen Revolution, den russischen Duma-Wahlen 2011, der Kraftstoff-Subventionskrise in Nigeria 2012 und den Gezi-Park-Protesten in der Türkei 2013 verzeichnet wurden.“ Ein weiteres Projekt, das von der University of Washington betrieben wird, „zielt darauf ab, die Bedingungen zu entdecken, unter denen politischen Bewegungen entstehen, die auf großen politischen und wirtschaftlichen Wandel ausgerichtet sind“. Das Projekt, das unter dem Management des US Army Research Office steht, „konzentriert sich auf ,große Bewegungen, die mehr als 1.000 Teilnehmer in dauerhafter Aktivität einbeziehen“. Insgesamt werden 58 Länder von der Studie abgedeckt werden. (10) Ferner finanzierte die Minerva-Initiative 2013 „ein Projekt, um festzustellen, ,Wer wird kein Terrorist, und warum?‘, die jedoch friedliche Aktivisten mit ‘Unterstützern politischer Gewalt‘ verschmolz, die sich von Terroristen nur dadurch unterschieden, dass sie selbst nicht zu ‘bewaffneter Militanz‘ übergingen.“ (11)

 

Im gleichen Jahr verteilte die Minerva-Initiative Geldmittel an ein Projekt der University of Maryland in Zusammenarbeit mit dem Pacific Northwest National Laboratory des US Department of Energy, „um das Risiko von Unruhen aufgrund des Klimawandels zu beurteilen. Hierbei werden Unruhe-Risiken in Anbetracht verschiedener Klimaszenarien durchgespielt.“ In einem Fünf-Jahres-Zeitraum gab die Minerva-Initiative über 75 Millionen US-Dollar für Sozial- und Verhaltensforschung aus. Offensichtlich geht es führenden Personen im Pentagon darum, „Fähigkeiten zu entwickeln, die schnell verfügbar gemacht werden können“, und zwar in der Form von „Modellen und Werkzeugen, die bei Operationen integriert werden können“. Laut Professor David Price, Kulturanthropologe an der St. Martins-Universität in Washington DC und Autor von Weaponizing Anthropology: Social Science in Service of the Militarized State, existiert ein Pentagon-Programm namens Human Terrain Systems (HTS), in dem es darum geht, Sozialwissenschaftler in militärischen Feldoperationen einzubetten. Hierzu werden routinemäßig Trainingsszenarien in Regionen der Vereinigten Staaten durchgeführt, die eigentlich für Aufstände in Afghanistan und im Irak entwickelt wurden. In den Szenarien wurde die lokale Bevölkerung – d. h. die US-Bevölkerung – „von militärischer Perspektive her als gefährdend für die etablierte Balance der Macht und des Einflusses“ angesehen, als eine Herausforderung von Law and Order.

 

„Solche Kriegsspiele stehen im Einklang mit einer Reihe von Pentagon-Planungsunterlagen, die darauf hindeuten, dass die Massenüberwachung der National Security Agency (NSA) zum Teil motiviert ist, um sich für die destabilisierenden Auswirkungen der kommenden Umwelt-, Energie- und Wirtschafts-Schocks vorzubereiten.“ (12)

 

Währenddessen dominieren immer weniger Unternehmen den Markt für Sicherheitsdienstleistungen, die von Privatfirmen für die US-Regierung erledigt werden. Der Branchenprimus war 2016 das Unternehmen Leidos, gefolgt von Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International. Zusammen beschäftigten diese fünf Firmen im Jahre 2016 nahezu 80 Prozent der privatwirtschaftlichen Mitarbeiter, die beauftragt sind, für Spionage- und Überwachungsbehörden der USA zu arbeiten. (13) Leidos Holdings, ein großer Auftragnehmer des Pentagon, fusionierte im August 2016 mit der Information Systems & Global Solutions-Abteilung von Lockheed Martin. Booz Allen Hamilton befindet sich teilweise im Besitz der Carlyle Group und „ist im Grunde der Consigliere der Geheimdienst-Community“. CSRA Inc. ging aus einem Zusammenschluss von CSC und SRA International hervor. CSC managt die internen Kommunikationskanäle der NSA, nachdem es diese auch entwickelt hatte, indes SRA International eine lange (hochprofitable) Geschichte im Bereich Geheiminformationsgewinnung, Überwachung und Aufklärung (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance, ISR) aufweisen konnte. CSRA Inc. arbeitet unter anderem rund um die Uhr an der Unterstützung der „globalen Operationen“ der US-Kommandozentren in Europa und Afrika. SAIC ist mit dem Kauf von Scitor ins Spionagegeschäft eingestiegen, indem es seither an der Arbeit des National Reconnaissance Office (NRO) beteiligt ist, das mit der NSA und der National Geospatial-Intelligence Agency (NGA) kooperiert. Und CACI International kaufte in jüngerer Vergangenheit zwei Unternehmen, die umfangreiche Arbeiten für die NSA und die CIA verrichten: National Security Solutions und Six3 Intelligence Solutions. (14) Diese fünf Firmen – Leidos, Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International – beschäftigten im Jahre 2016 rund 45.000 Mitarbeiter, die Zugang zu Geheiminformationen besaßen. Das entsprach fast 80 Prozent aller privatwirtschaftlichen Mitarbeiter, die ausgelagerte Geheimdienstarbeiten für die USA verrichteten (58.000), und etwa einem Fünftel aller Beschäftigten im Bereich der nationalen und militärischen Geheimdienstinformationsgewinnung in den USA (183.000). (15)

Quellen:

(1) Alfred McCoy: “Surveillance and Scandal – Time-Tested Weapons for U.S. Global Power”, veröffentlicht von TomDispatch am 19. Januar 2014 <http://www.tomdispatch.com/post/175795/tomgram%3A_alfred_mccoy%2C_it%27s_about_blackmail%2C_not_national_security/>

(2) Ebd.

(3) Ebd.

(4) Vgl. ebd.

(5) Lars Schall: “Behind the Wheel“, Interview mit Catherine Austin Fitts, veröffentlicht von LarsSchall.com am 29. August 2010 <http://www.larsschall.com/2010/08/29/behind-the-wheel/>

(6) Elmar Altvater: „Die Kontrolle der Zukunft: Edward Snowden und das neue Erdzeitalter“, veröffentlicht im April 2014 auf „Blätter für deutsche und internationale Politik“ <https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/april/die-kontrolle-der-zukunft.> Unter dem Stichwort Planetary Stewardship verweist Altvater auf Will Steffen: “The Anthropocene: From Global Change to Planetary Stewardship”, in: „AMBIO“, 40/2011, S. 739-761, Royal Swedish Academy of Sciences, 2011.

(7) Glenn Greenwald: „NSA: Die Schere im Kopf – Wie Massenüberwachung jeden Protest im Keim erstickt“, veröffentlicht auf Blätter für deutsche und internationale Politik im Juni 2014 <https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/juni/nsa-die-schere-im-kopf>

(8) Nafeez Ahmed: “Pentagon preparing for mass civil breakdown”, veröffentlicht auf The Guardian am 12. Juni 2014 <http://www.theguardian.com/environment/earth-insight/2014/jun/12/pentagon-mass-civil-breakdown>

(9) Ebd.

(10) Ebd.

(11) Ebd.

(12) Ebd.

(13) Tim Shorrock: “5 Corporations Now Dominate Our Privatized Intelligence Industry”, veröffentlicht von The Nation am 8. September 2016 <https://www.thenation.com/article/five-corporations-now-dominate-our-privatized-intelligence-industry/>

(14) Ebd.

(15) Ebd. Der Rest, der nicht von den großen fünf Akteuren Leidos, Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International im privatwirtschaftlichen Sektor der Geheimdienstarbeit beschäftigt wird, steht im Sold von Unternehmen wie Northrop Grumman, Boeing, Raytheon, BAE, Accenture, ManTech International Corporation, Engility Corporation, L-3 Communications und PAE.

Alfred McCoy:

Die NSA und „die Kontrolle der Zukunft“

Von Published On: 13. Januar 2017Kategorien: Allgemein

Vor dem Hintergrund langfristig eher geringer, denn größer werdender Finanzmittel der öffentlichen Hand, die zum Führen von Überseekriegen zur Verfügung stehen, lässt sich die Aktivität der National Security Agency (NSA) erklären, wie der US-Historiker Alfred McCoy nahelegt. Über die Informationsschwemme, die durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in ausgesuchten Organen der internationalen Presse Mitte / Ende 2013 enthüllt wurde, schreibt McCoy, dass „niemand auf die Kombination von Faktoren (hinwies), die die Erweiterung der NSA-Programme zur Beobachtung der Welt zu einer Slam Dunk-Entwicklung für Washington machten“. Dabei sei die Erklärung doch „denkbar einfach. Für eine imperiale Macht, die ihren wirtschaftlichen Klammergriff um den Planeten verliert und in Richtung strengere Zeiten marschiert, sehen die neuesten technologischen Durchbrüche der NSA wie ein Schnäppchen-Angebot aus, wenn es um das Projizieren von Macht und das In-Reihe-Halten von Verbündeten geht.“ (1)

 

Aus historischer Perspektive legt McCoy dar:

 

„Seit mehr als einem Jahrhundert, von der Befriedung der Philippinen im Jahre 1898 bis hin zu Handels-Verhandlungen mit der Europäischen Union heute, sind die Überwachung und ihre Cousins, die Skandale und skurrilen Informationen, eine Schlüsselwaffe um die globale Herrschaft für Washington gewesen. Nicht überraschend haben George W. Bush und Barack Obama in einer parteiübergreifenden post-9/11-Ausübung der Exekutivgewalt den Vorsitz über den schrittweisen Aufbau der NSA in ein geheimes digitales Panoptikum innegehabt, um die Kommunikation von jedem amerikanischen und ausländischen Führer weltweit zu überwachen.

 

Was genau war das Ziel eines solch beispiellosen Programms der massiven inländischen und planetaren Spionage, die die Gefahr von Kontroversen im In- und Ausland in sich trug? Hier kann uns ein Bewusstsein für die mehr als hundertjährige Geschichte der US-Überwachung (…) zur strategischen Bedeutung eines solchen Programms für die letzte Supermacht der Erde führen.“ Die Vergangenheit zeige, so McCoy, „eine langfristige Beziehung zwischen amerikanischer staatlicher Überwachung und politischen Skandalen“, und diese Beziehung könne helfen, „den unbestätigten Grund zu beleuchten, warum die NSA engste Verbündete Amerikas überwacht.

 

Nicht nur hilft eine solche Überwachung beim Gewinnen von Geheiminformationen, die von Vorteil für die US-Diplomatie, die Handelsbeziehungen und Kriegsführung sind, sondern sie schöpft auch intime Informationen ab, die Hebelwirkung – ähnlich wie Erpressung – bei sensiblen globalen Geschäften und Verhandlungen aller Art haben können. Das globale Panoptikum der NSA erfüllt damit einen alten Traum von Imperien. Mit wenigen Tastendrücken eines Computers hat die Behörde das Problem gelöst, das die Weltmächte zumindest seit der Zeit von Kaiser Augustus plagte: wie kontrolliert man widerspenstige lokale Führer, die die Grundlage für die imperiale Herrschaft sind, indem man entscheidende, oft skurrile Informationen aufspürt, um sie geschmeidiger zu machen.“ (2)

 

Und hier folgen nun die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Vorgang zu betrachten ist:

 

„Da die Lücke zwischen der globalen Reichweite Washingtons und dessen geschrumpfter gepanzerten Faust gewachsen ist, indem es darum kämpft, 40% der Welt-Rüstung mit nur 23% der weltweiten Bruttowirtschaftsleistung aufrecht zu halten, müssen die USA neue Wege finden, ihre Macht weitaus wirtschaftlicher auszuüben. Als der Kalte Krieg anzog, war das Heavy-Metal-US-Militär – mit 500 Basen weltweit um ungefähr 1950 herum – nachhaltig, weil das Land rund 50 % des globalen Bruttosozialprodukts kontrollierte.

 

Indem sein Anteil an der Weltproduktion jedoch fällt – auf geschätzte 17% bis zum Jahr 2016 – und seine sozialen Wohlfahrtskosten unaufhaltsam von 4% des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2010 auf voraussichtlich 18% im Jahre 2050 steigen, wird eine Kostensenkung unumgänglich, wenn Washington als ,einzige Supermacht‘ der Erde überstehen will. Im Vergleich zu den $ 3 Billionen an Kosten für die USA zur Invasion und Besetzung des Irak, sieht der NSA-Haushalt 2012 von nur $11 Milliarden für die weltweite Überwachung und Cyberkriegsführung wie eine Kostenersparnis aus, auf die das Pentagon schlecht verzichten kann.

 

Durch das Sammeln von Wissen – routinemäßiges, intimes oder skandalöses – über ausländische Staats- und Regierungschefs haben kaiserliche Statthalter des alten Roms bis hin zum modernen Amerika sowohl das Geheimwissen wie auch die Aura der Autorität gewonnen, die für die Herrschaft über fremde Gesellschaften notwendig sind. Die Bedeutung und Herausforderung, diese lokalen Eliten zu kontrollieren, kann nicht überbewertet werden. Während der Befriedung der Philippinen nach 1898 zum Beispiel hielt das US-Kolonialregime umstrittene Filipino-Führer durch die Überwachung, die politische Geheiminformationen und persönliche Skandale hervorbrachte, klein. Und das war natürlich genau das, was J. Edgar Hoover in Washington in den 1950er und 1960er Jahren tat.“

 

Mit dem „überschwellenden Fluss von NSA-Dokumenten“, den Edward Snowden freisetzte, habe die Öffentlichkeit „einen Einblick in die veränderte Architektur der globalen US-Macht“ erlangt. „Im weitesten Sinne ergänzt Obamas digitaler ,Pivot’ seine gesamte Verteidigungsstrategie, die er 2012 zur Reduzierung konventioneller Streitkräfte ankündigte, während die Expansion in die neuen, kostengünstigen Domänen des Cyberspace vorangetrieben werden.“ Derweil im Rüstungsbereich und bei der Größe des Militärs „bescheidene Abstriche“ gemacht wurden, „hat Präsident Obama Milliarden in den Bau einer neuen Architektur für die globale Informationskontrolle investiert.“ (3)

 

Eine Zukunftsinvestition in einen neuen Weltmachtapparat, die McCoy auf insgesamt $ 1.2 Billionen beziffert. (4)

 

Im Grunde ist das, was gerade beschrieben wurde, eine Spielart der Frage, „wie man das meiste Territorium mit den wenigsten Akteuren als möglich kontrolliert.“ (5)

 

In deutlichen Umrissen zeichnet sich „die Kontrolle der Zukunft“ und „das neue Erdzeitalter“ ab, wie sich Elmar Altvater für die „Blätter für deutsche und internationale Politik“ ausdrückte:

 

„Snowden hat bloßgelegt, in welchem Ausmaß die Fünferbande der Geheimdienste – die ,Five Eyes‘ aus den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland – die Bürgerinnen und Bürger in aller Welt ausspionieren, in welch planetarischer Größenordnung sie Daten klauen, speichern und für ihre Zwecke nutzen – und damit die Privatheit aller Menschen zerstören, die nach Art. 12 der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen geschützt ist. Damit aber ist auch die Meinungsfreiheit, die Grundlage von politischer Betätigung wie auch von Widerstand gegen die Herrschenden, im Kern bedroht und folglich auch die Demokratie.

 

Die Geheimdienste rechtfertigen ihre gemeingefährlichen Machenschaften – die Wissensbeschaffung aus der planetarischen Cloud, aus den verschlüsselten Handys von Regierungschefs wie Angela Merkel oder Dilma Rousseff und aus der unübersehbaren Masse (un)verschlüsselter E-Mails normaler Bürgerinnen und Bürger – mit dem fadenscheinigen Argument, es ginge um Früherkennung terroristischer Aktivitäten und damit um den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Doch die Bespitzelung der Welt ist mehr als ein gigantischer Datenfischzug im ,World Wide Web‘ im Dienste der ,Sicherheit‘. Sie passt nämlich exakt zu den Denk- und Handlungsmustern, die das Geo-Engineering einer neuen Menschheitsepoche bestimmen.“

 

Es werde „mit sophistischen technischen Mitteln“ eine planetarische Verwaltung oder „planetary stewardship“ eingerichtet, will heißen: „ein effizientes Management mit Prokura für den Planeten Erde (…), um nicht nur den Informationsfluss, sondern die vielfältigen sonstigen Krisenprozesse unserer Zeit zu steuern – bei Aufrechterhaltung des herrschenden kapitalistischen Systems.“ (6)

 

In diesem argumentativen Fahrwasser bewegt sich auch Snowden-Mittelsmann Glenn Greenwald, wenn er schreibt:

 

„Lange Zeit galt das Internet als ein beispielloses Instrument der Demokratisierung und Liberalisierung, ja sogar der Emanzipation. Nach Ansicht der amerikanischen Regierung aber drohen dieses weltweite Netzwerk und andere Kommunikationstechnologien die Macht der USA zu untergraben. Aus dieser Sicht betrachtet, ist das zentrale Ziel der NSA, ,alles zu sammeln‘, letztlich schlüssig. Die Beobachtung sämtlicher Bereiche des Internets und aller anderen Kommunikationsmittel durch die NSA ist entscheidend dafür, dass niemand der Kontrolle der amerikanischen Regierung entgeht.“

 

Es sei, so Greenwald, „leicht zu verstehen, warum die Behörden in den USA, aber auch in anderen westlichen Ländern, der Versuchung unterlagen, ein derart omnipräsentes Spionagesystem zu entwickeln, das auch – und nicht zuletzt – gegen die eigenen Bürger gerichtet ist. Eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich, die durch den Zusammenbruch des Finanzsektors im Jahr 2008 noch vertieft wurde, hat zu einer schweren innenpolitischen Instabilität geführt.“

 

Konfrontiert mit Unruhen stünden Machthaber im Allgemeinen vor zwei Alternativen: „die Bevölkerung mit symbolischen Zugeständnissen zu beschwichtigen oder ihre Kontrolle zu festigen, um die eigenen Interessen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Die Eliten im Westen scheinen die zweite Option als die beste, vielleicht als den einzig gangbaren Weg zu betrachten, um ihre Position zu wahren. Die Occupy-Bewegung wurde mit Gewalt – durch Tränengas, Pfefferspray – und durch strafrechtliche Verfolgung zerschlagen. Polizeikräfte, die wie paramilitärische Einheiten agierten, zeigten in allen amerikanischen Städten massive Präsenz und trieben mit Waffen, wie man sie auf den Straßen Bagdads gesehen hatte, die weitgehend friedlichen Demonstranten auseinander, die sich legal versammelt hatten. Die Strategie war, Angst vor der Beteiligung an Protestmärschen und Demonstrationen zu erzeugen, und sie funktionierte. Gleichzeitig verfolgte man damit das umfassendere Ziel, das Gefühl hervorzurufen, dass ein solcher Widerstand gegen ein starkes und undurchschaubares Establishment sinnlos ist.

 

Um all das zu erreichen, ist ein System allgegenwärtiger Überwachung noch viel wirksamer. Wenn die Regierung alles beobachtet, was die Menschen tun, wird allein schon das Organisieren von Widerstand schwierig. Aber die Massenüberwachung erstickt jedes abweichende Verhalten auch auf einer tieferen und noch entscheidenderen Ebene: im Kopf. Der Einzelne richtet sich selbst dazu ab, nur noch in eine Richtung zu denken, die erwartet und verlangt wird.“ (7)

 

Im Kontext der Eindämmung von Massenprotesten arbeitet das Pentagon an der Militarisierung der Sozial- und Verhaltensforschung, um sie gezielt gegen unliebsame politische Bewegungen einsetzen zu können. Das Pentagon betreibt ein Forschungsprogramm, das Universitäten finanziert, „um die Dynamik, Risiken und Wendepunkte großer Unruhen in der ganzen Welt zu modellieren“, jeweils „unter der Aufsicht von verschiedenen US-Militärbehörden. Das Multi-Millionen-Dollar-Programm wurde entwickelt, um sofortige und langfristige ,Warfighter-relevante Erkenntnisse’“ für hohe Entscheidungsträger zu liefern. (8)

 

Gestartet im Jahre 2008, geht das Verteidigungsministeium (Department of Defense, DoD) bei der sogenannten „Minerva-Forschungsinitiative“ Partnerschaften mit Hochschulen ein, „um das grundlegende Verständnis des DoD von den sozialen, kulturellen, verhaltensbezogenen und politischen Kräften zu verbessern“, die jene Regionen der Welt beeinflussen, „die von strategischer Bedeutung für die USA sind.“ (9)

 

Das Programm umfasst eine Studie, an der die Cornell University unter dem Management des US Air Force Office of Scientific Research führend beteiligt ist. Sie soll „ein empirisches Modell ,der Dynamik der Mobilisierung und Ansteckung sozialer Bewegungen‘ entwickeln. Das Projekt wird „den kritische Massen (-Umkehrpunkt)“ sozialer Ansteckungen durch das Studium ihrer ,digitalen Spuren‘ bestimmen“, die 2011 bei der ägyptischen Revolution, den russischen Duma-Wahlen 2011, der Kraftstoff-Subventionskrise in Nigeria 2012 und den Gezi-Park-Protesten in der Türkei 2013 verzeichnet wurden.“ Ein weiteres Projekt, das von der University of Washington betrieben wird, „zielt darauf ab, die Bedingungen zu entdecken, unter denen politischen Bewegungen entstehen, die auf großen politischen und wirtschaftlichen Wandel ausgerichtet sind“. Das Projekt, das unter dem Management des US Army Research Office steht, „konzentriert sich auf ,große Bewegungen, die mehr als 1.000 Teilnehmer in dauerhafter Aktivität einbeziehen“. Insgesamt werden 58 Länder von der Studie abgedeckt werden. (10) Ferner finanzierte die Minerva-Initiative 2013 „ein Projekt, um festzustellen, ,Wer wird kein Terrorist, und warum?‘, die jedoch friedliche Aktivisten mit ‘Unterstützern politischer Gewalt‘ verschmolz, die sich von Terroristen nur dadurch unterschieden, dass sie selbst nicht zu ‘bewaffneter Militanz‘ übergingen.“ (11)

 

Im gleichen Jahr verteilte die Minerva-Initiative Geldmittel an ein Projekt der University of Maryland in Zusammenarbeit mit dem Pacific Northwest National Laboratory des US Department of Energy, „um das Risiko von Unruhen aufgrund des Klimawandels zu beurteilen. Hierbei werden Unruhe-Risiken in Anbetracht verschiedener Klimaszenarien durchgespielt.“ In einem Fünf-Jahres-Zeitraum gab die Minerva-Initiative über 75 Millionen US-Dollar für Sozial- und Verhaltensforschung aus. Offensichtlich geht es führenden Personen im Pentagon darum, „Fähigkeiten zu entwickeln, die schnell verfügbar gemacht werden können“, und zwar in der Form von „Modellen und Werkzeugen, die bei Operationen integriert werden können“. Laut Professor David Price, Kulturanthropologe an der St. Martins-Universität in Washington DC und Autor von Weaponizing Anthropology: Social Science in Service of the Militarized State, existiert ein Pentagon-Programm namens Human Terrain Systems (HTS), in dem es darum geht, Sozialwissenschaftler in militärischen Feldoperationen einzubetten. Hierzu werden routinemäßig Trainingsszenarien in Regionen der Vereinigten Staaten durchgeführt, die eigentlich für Aufstände in Afghanistan und im Irak entwickelt wurden. In den Szenarien wurde die lokale Bevölkerung – d. h. die US-Bevölkerung – „von militärischer Perspektive her als gefährdend für die etablierte Balance der Macht und des Einflusses“ angesehen, als eine Herausforderung von Law and Order.

 

„Solche Kriegsspiele stehen im Einklang mit einer Reihe von Pentagon-Planungsunterlagen, die darauf hindeuten, dass die Massenüberwachung der National Security Agency (NSA) zum Teil motiviert ist, um sich für die destabilisierenden Auswirkungen der kommenden Umwelt-, Energie- und Wirtschafts-Schocks vorzubereiten.“ (12)

 

Währenddessen dominieren immer weniger Unternehmen den Markt für Sicherheitsdienstleistungen, die von Privatfirmen für die US-Regierung erledigt werden. Der Branchenprimus war 2016 das Unternehmen Leidos, gefolgt von Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International. Zusammen beschäftigten diese fünf Firmen im Jahre 2016 nahezu 80 Prozent der privatwirtschaftlichen Mitarbeiter, die beauftragt sind, für Spionage- und Überwachungsbehörden der USA zu arbeiten. (13) Leidos Holdings, ein großer Auftragnehmer des Pentagon, fusionierte im August 2016 mit der Information Systems & Global Solutions-Abteilung von Lockheed Martin. Booz Allen Hamilton befindet sich teilweise im Besitz der Carlyle Group und „ist im Grunde der Consigliere der Geheimdienst-Community“. CSRA Inc. ging aus einem Zusammenschluss von CSC und SRA International hervor. CSC managt die internen Kommunikationskanäle der NSA, nachdem es diese auch entwickelt hatte, indes SRA International eine lange (hochprofitable) Geschichte im Bereich Geheiminformationsgewinnung, Überwachung und Aufklärung (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance, ISR) aufweisen konnte. CSRA Inc. arbeitet unter anderem rund um die Uhr an der Unterstützung der „globalen Operationen“ der US-Kommandozentren in Europa und Afrika. SAIC ist mit dem Kauf von Scitor ins Spionagegeschäft eingestiegen, indem es seither an der Arbeit des National Reconnaissance Office (NRO) beteiligt ist, das mit der NSA und der National Geospatial-Intelligence Agency (NGA) kooperiert. Und CACI International kaufte in jüngerer Vergangenheit zwei Unternehmen, die umfangreiche Arbeiten für die NSA und die CIA verrichten: National Security Solutions und Six3 Intelligence Solutions. (14) Diese fünf Firmen – Leidos, Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International – beschäftigten im Jahre 2016 rund 45.000 Mitarbeiter, die Zugang zu Geheiminformationen besaßen. Das entsprach fast 80 Prozent aller privatwirtschaftlichen Mitarbeiter, die ausgelagerte Geheimdienstarbeiten für die USA verrichteten (58.000), und etwa einem Fünftel aller Beschäftigten im Bereich der nationalen und militärischen Geheimdienstinformationsgewinnung in den USA (183.000). (15)

Quellen:

(1) Alfred McCoy: “Surveillance and Scandal – Time-Tested Weapons for U.S. Global Power”, veröffentlicht von TomDispatch am 19. Januar 2014 <http://www.tomdispatch.com/post/175795/tomgram%3A_alfred_mccoy%2C_it%27s_about_blackmail%2C_not_national_security/>

(2) Ebd.

(3) Ebd.

(4) Vgl. ebd.

(5) Lars Schall: “Behind the Wheel“, Interview mit Catherine Austin Fitts, veröffentlicht von LarsSchall.com am 29. August 2010 <http://www.larsschall.com/2010/08/29/behind-the-wheel/>

(6) Elmar Altvater: „Die Kontrolle der Zukunft: Edward Snowden und das neue Erdzeitalter“, veröffentlicht im April 2014 auf „Blätter für deutsche und internationale Politik“ <https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/april/die-kontrolle-der-zukunft.> Unter dem Stichwort Planetary Stewardship verweist Altvater auf Will Steffen: “The Anthropocene: From Global Change to Planetary Stewardship”, in: „AMBIO“, 40/2011, S. 739-761, Royal Swedish Academy of Sciences, 2011.

(7) Glenn Greenwald: „NSA: Die Schere im Kopf – Wie Massenüberwachung jeden Protest im Keim erstickt“, veröffentlicht auf Blätter für deutsche und internationale Politik im Juni 2014 <https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/juni/nsa-die-schere-im-kopf>

(8) Nafeez Ahmed: “Pentagon preparing for mass civil breakdown”, veröffentlicht auf The Guardian am 12. Juni 2014 <http://www.theguardian.com/environment/earth-insight/2014/jun/12/pentagon-mass-civil-breakdown>

(9) Ebd.

(10) Ebd.

(11) Ebd.

(12) Ebd.

(13) Tim Shorrock: “5 Corporations Now Dominate Our Privatized Intelligence Industry”, veröffentlicht von The Nation am 8. September 2016 <https://www.thenation.com/article/five-corporations-now-dominate-our-privatized-intelligence-industry/>

(14) Ebd.

(15) Ebd. Der Rest, der nicht von den großen fünf Akteuren Leidos, Booz Allen Hamilton, CSRA, SAIC und CACI International im privatwirtschaftlichen Sektor der Geheimdienstarbeit beschäftigt wird, steht im Sold von Unternehmen wie Northrop Grumman, Boeing, Raytheon, BAE, Accenture, ManTech International Corporation, Engility Corporation, L-3 Communications und PAE.