Ray McGovern über Israel und den Nahen Osten

Von Published On: 30. Mai 2017Kategorien: Allgemein

Was Ray McGovern in einem Video vom Mai 2016 über die Planspielchen von Neocons in den USA, über eine vom US-Außenminister verbreitete Unwahrheit und über die Interessen Israels sagt, trägt zur Aufklärung bei und stützt Michael Lüders. Eine Leserin der NachDenkSeiten, Angelika Eberl, hat dieses Video [1] übersetzt.

 

Ray McGovern war 27 Jahre lang Mitarbeiter der CIA. Er war am Ende seiner Karriere verantwortlich für die morgendliche
Berichterstattung der Geheimdienste beim US-amerikanischen Präsidenten. Hier das Interview:

 

Es ist unmöglich, eine offene Diskussion über die US-Politik im Nahen Osten zu führen, ohne über die Beziehung der USA zu Israel zu sprechen. Die Leute sind ganz verwirrt, wenn sie unsere Politik gegenüber Syrien zu erklären versuchen. Sie macht keinen Sinn. Syrien – eine Bedrohung für uns? Nein. Warum soll Bashar al-Assad dann weg? Weil Obama es so sagt? Weil Hillary Clinton es sagt? Warum sagen sie so etwas? Falls Sie nicht verstehen, wo diese Politik ursprünglich herkommt, werde ich versuchen, es zu erklären.

 

Im Jahr 1996 wurde eine Studie erstellt für einen Mann, der zum ersten Mal Premierminister in Israel werden sollte. Sein Name war Netanjahu. Diese Studie ist hauptsächlich von Amerikanern, Neocons (Neokonservativen) erstellt worden.

 

Einige von ihnen waren sehr prominent, z. B. Douglas Feith [Bild 1], Nummer Drei im Pentagon unter George W. Bush [Bild 3 mit Rumsfeld] und andere und die meisten von ihnen waren US-Amerikaner: Richard Perle [Bild 2, bereits 1986 mit Präsident Reagan] war die andere Person, an die ich denke – er war der Kopf von Rumsfeld in dessen Verteidigungsministerium, der seiner Forschungstruppe helfen sollte. Sie fabrizierten dieses Papier und nannten es „A clean break – a new strategy for securing the realm“, also „einen glatten Bruch, eine neue Sicherheitsstrategie für das Gebiet“. Welches Gebiet? Nun das Gebiet war Israel – ein größeres Israel. Ein Israel, das während des Krieges von 1967 Gebiete besetzte.

 

Das ist ziemlich eindeutig. Es ist darin die Rede davon, dass es nötig sei, sicherzustellen, dass Syrien auseinandergerissen wird. Irak, nun über Irak sagen sie: Der Irak ist eine Beute für sich – man solle Saddam Hussein loswerden und dann werde man sich mit Iran und anderen Orten beschäftigen. Es war geschrieben worden von Douglas Feith, Richard Perle und anderen. Das steht da schwarz auf weiß. Das war 1996.

 

Einige Jahre später gab es das Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert, das „Project for a New American Century“ – fabriziert von denselben Leuten, die beschlossen hatten, dass
Israels Interessen zuallererst vorangetrieben werden sollten. Wenn man Saddam Hussein im Irak loswerde, sei er kein Problem mehr für die Israelis.

 

Nun, kurioserweise hätten es die Israelis lieber gehabt, dass zuerst der Iran drangekommen wäre. Manche der Neocons stolzierten umher und sagten: Irak? Die haben kein Militär, das der Rede wert wäre. Ein richtiger Mann würde nach Teheran gehen. Der Irak wäre ein Kinderspiel. Okay? Das war der Plan. Nun, spulen wir ein wenig nach vorne und schauen, was gerade in Syrien los ist, nachdem wir den Irak total zerstört haben. Wissen Sie, ich spreche hier über Strategien, aber in Wirklichkeit geht es um Menschen, nicht nur die 5.000 US-Soldaten, die getötet wurden, sondern mindestens Hunderttausende von Irakern, die wegen des Krieges ihr Leben verloren haben und alle Arten von Verstümmelungen und Verletzungen und Flüchtlingen. Millionen von Flüchtlingen innerhalb des Irak, außerhalb des Irak, in den umliegenden Ländern. Dasselbe in Syrien.

 

Was geschah nun in Syrien? Nun, 2011 gab es den Versuch, eine Art arabischen Frühling in Syrien zu entfachen. Es gab wirtschaftliche Schwierigkeiten, es gab Dürreperioden, und es gab Leute, die sagten: „Nun, lasst uns aus der Situation in Tunesien und Kairo Vorteile ziehen und schauen, ob wir hier etwas mehr „Demokratie“ installieren können“. Sofort. Diese Gelegenheit wurde von Leuten ergriffen, die Bashar al-Assad loswerden wollten. Darunter war auch Hillary Clinton  – und, im Weiteren, auch Präsident Obama. Was geschah? Wir begannen, nach „moderaten“ Rebellen zu suchen, um sie zu unterstützen. Sogar Obama sagte vor zwei Jahren (Anm.: also in 2014), dass es reine Fantasie sei, von „moderaten“ Rebellen zu sprechen. Er benutzte das Wort „Fantasie“. Es erhoben sich also „moderate“ Rebellen, wie Lazarus aus dem Grabe. Und wir unterstützen sie wieder, wie schon zuvor, mit einigen qualitativen Unterschieden, die aufgrund des russischen Eingreifens zustande gekommen waren.

 

Nun, der Hintergrund ist, dass wir, meiner Ansicht nach, die US-Politik im Nahen Osten und vor allem in Syrien nicht verstehen können, ohne zu erkennen, wie unsere Strategen geradezu damit prahlen, ja, wirklich damit prahlen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen der US-Politik und der Politik Israels. Das tut uns nicht gut, zwischen all den arabischen Staaten dort.

 

Doch wenn das so ist: Warum hat sich unser Präsident, Barack Obama, am 20. August 2012 [Bild 4] entschlossen, eine rote Linie zu ziehen? Wir alle wissen, dass Syrien chemische Waffen hat, die übrigblieben, als es von allen und jedem unterstützt wurde, aber es war niemals ratsam, sie zu nutzen, denn das wäre gleichbedeutend mit sofortigem Selbstmord. Die Israelis hätten
sofort mit Atombomben oder Ähnlichem geantwortet.

 

Ganz am Ende einer Pressekonferenz wurde Obama gefragt – eine ungewöhnliche Sache:
„Oh, Mr. Obama, Sie sagten, sie würden in Syrien militärisch nicht eingreifen – würden Sie tatsächlich niemals militärisch eingreifen?“ Darauf sagte Obama, als ob er ein Skript lesen würde: „Also, wenn die Syrer ihre chemischen Waffen einsetzen oder sie auch nur bewegen würden, dann wäre eine rote Linie überschritten.“

Die Rote Linie – seine Worte. (Präsident Obama wird eingeblendet und sagt:) „Dann würde ich meinen Ansatz bezüglich Syrien ändern. Für uns wäre das gegeben, wenn wir sehen, dass chemische Waffen bewegt werden oder sogar angewendet werden. Das würde meine Analyse ändern.“

 

Dann gäbe es also eine militärische Intervention. Nun, wer hat Obama diese Frage gestellt? Ich weiß es nicht, aber eine sichere Vermutung sagt mir, dass es Hillary Clinton war. Also, das war am 20. August 2012.

 

Am 21. August 2013, also ein Jahr später, gab es einen Chemiewaffen-Angriff außerhalb von Damaskus, an einem Ort, der Gutha hieß. Mehrere Hundert Personen starben. Sofort stand John Kerry da – nein, nicht sofort, er kam am 30. August und sagte: Bashar al-Assads Regierung hat das getan, Bashar al-Assads Regierung hat das getan, Bashar al-Assads Regime ist dieses Chemiewaffen-Angriffs schuldig. Deshalb müssten wir jetzt handeln, denn die rote Linie sei überschritten worden. … Wie oft hat er die Beschuldigung gegenüber Assad ausgesprochen? 35 Mal. 35 Mal. Man muss kein Shakespeare-Anhänger sein, um zu denken, dass er zu oft protestiert hat.

 

Das war am 30. August. Das waren die merkwürdigsten Umstände, die ich jemals gesehen habe in 53 Jahren. Was geschah dann? Es war sehr klar. Der Präsident selbst sagte: Unsere Streitkräfte sind bereits im östlichen Mittelmeer, die Franzosen haben ihre Kampfbomber auf der Rollbahn … und er hielt eine Rede im Rosengarten am Mittag des nächsten Tages. Ich war dort am Weißen Haus mit einigen anderen Leuten, die protestierten gegen den Krieg gegen Syrien: Hände weg von Syrien, keine Bomben, kein Krieg gegen Syrien, kein Vergeltungsschlag … und ich erfuhr von drinnen: Er würde es nicht tun. Er hatte seine Meinung geändert. Ich war der nächste Redner und ich nutzte diese Möglichkeit zu sagen: „Wenn das wahr ist, wenn es denn wahr wäre…“, ich konnte es nicht glauben, aber er änderte tatsächlich seine Meinung. Warum änderte er seine Meinung? Aus mehreren Gründen.

 

Die Kollegen vom Geheimdienst – unsere Kollegen von früher – würden nicht mit John Kerry gleichziehen. Die Beweise stanken.

 

Wir wussten, dass die Türken den Transport von Vorstufen chemischer Waffen ermöglicht hatten und zwar genau in das Gebiet in Syrien, an dem der chemische Angriff erfolgte. Wir erfuhren von unseren Kollegen, dass es viel eher die Rebellen gewesen waren, die das in einer klassischen False Flag Attack getan hatten, um Obama zu einem offenen Krieg gegen Syrien zu verleiten. Er sollte in eine Falle gelockt werden. Doch die Geheimdienste wollten dabei nicht mitmachen.

 

Was geschah noch? General Dempsey [Bild 5], der Vorsitzende der Stabschefs (Chairman of the Joint Chiefs of Staff), ging diese Nacht, am 30. August 2013 [Anmerk. d. Übers.: Das muss der 30. August gewesen sein], zum Präsidenten und sagte: “Herr Präsident, ich habe von meinen Kollegen in London gehört, dass das Sarin-Gas, das außerhalb von Damaskus eingesetzt worden ist, nicht das ist, das von der syrischen Regierung gelagert wird. Sie sollten Vorsicht walten lassen, einen Krieg zu beginnen, aufgrund von Vorkommnissen, die sehr nach einer Mausefalle aussehen.“ Und so änderte der Präsident seine Meinung. Das war großartig.

 

Und das zeigt, was für einen Einfluss Israel auf unsere Politik hat, denn es endete da noch nicht. Also, wir waren außerhalb des Weißen Hauses und sorgten uns, worüber der Präsident gesprochen hatte. Seine Rede kam verspätet, denn wir hatten einen solchen Rabatz gemacht und er wartete, bis es ruhig war. Was er ankündigte, war folgendes: „Der Vorsitzende der vereinten Stabschefs sagte mir, dass unsere Streitkräfte vorbereitet sind, wir haben Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer und die Franzosen sind auch startbereit. Wir können gegen Syrien jederzeit losschlagen. Aber er sagte mir auch, dass das nicht heute sein muss, auch nicht morgen und auch nicht diese Woche oder diesen Monat. Wir können es jederzeit machen. Und deshalb habe ich beschlossen, vor den Kongress zu gehen, um die entsprechende Zustimmung für diesen Militärschlag zu bekommen.“ Whow. (Man sieht eine Aufnahme von Obama während dieser Rede).

 

Obama: „Nach sorgfältiger Überlegung habe ich entschieden, dass die Vereinigten Staaten einen Militärschlag gegen Ziele des Syrischen Regimes durchführen sollten. Aber, als Oberster Befehlshaber der Streitkräfte und angesichts des Nationalen Sicherheitsinteresses, werde ich die Genehmigung für diesen Einsatz von den Volksvertretern des amerikanischen Volkes im Kongress einholen.“ (Ende Einblendung von Präsident Obama).

 

Ray McGovern: Nun, es waren nicht nur meine früheren Kollegen aus dem Geheimdienst, die dieses Mal ehrlich waren, es war nicht nur Dempsey, sondern sogar die Briten stimmten, zum ersten Mal in 855 Jahren, im Britischen Parlament gegen den Krieg und – Wunder über Wunder – es war August und deshalb waren die Kongress-Abgeordneten und Senatoren an ihren Heimatorten. Dort lernten sie sehr schnell, dass die Amerikaner diesen Krieg nicht wollten. Es gab also viele Faktoren, die alle zusammen kamen. Obama entschied sich für das Richtige. Doch von wem wurde er unterstützt? Von niemandem. Er gibt es zu. Er sagte öffentlich, dass er gegen den Rat von Biden und Kerry und jedem anderen agierte und er tat das Richtige und ist sehr stolz darauf.

 

Nun, was hat er kürzlich noch aufgedeckt? Er deckte auf, dass der Chef der nationalen Sicherheitsbehörden, ein Mann namens James Clapper [Bild 6], ihn eines Morgens unangemeldet aufsuchte und sagte: „Mr. Präsident, diese Sache da, dass Baschar Al Assad verantwortlich ist für den Chemiewaffen-Angriff bei Gutha – ich möchte nur darauf hinweisen, dass das keine todsichere Sache ist. Verstehen Sie, Mr. Präsident? Es ist keine todsichere Sache.“ Nun, das war eine Anspielung auf George
Tenet [Bild 7], den Mann, der George W. Bushs Anweisungen hinsichtlich Beschaffung gefälschter Geheimdienstberichte über den Irak befolgte. Er hatte damals gesagt, dass die Beweise dafür, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte, eine todsichere Sache seien. Das war um die Weihnachtszeit im Jahre 2002. Obama war also gewarnt worden. Er war gewarnt worden von James Clapper und Dempsey. Ich bin sicher, dass Dempsey zum Präsidenten Folgendes gesagt hat:

 

„Mr. Präsident, John Kerry ist ein wunderbarer Mann. Ein wunderbarer Mann, aber kein strategischer Denker. Mit allem nötigen Respekt, aber Boote den Mekong hinaufzuschippern macht einen noch lange nicht zu einem strategischen Denker. Er weiß nicht, was am Tag danach in Syrien passiert. Also, bei allem Respekt – Sie sehen, was er tun will und er ist vom Pfad abgekommen.“

 

Obama folgte diesem Rat und ist nun sehr stolz darauf, dass er das getan hat, und nun gibt er zu, dass der Chef der nationalen Sicherheitsbehörden ihm gesagt hat, dass es keine todsichere Sache war. Warum hat Clapper ihm das gesagt? Weil er sich einem partiellen Aufstand seiner Geheimdienst-Analysten gegenübersah, die sich weigerten – und das ist wichtig – die sich weigerten, eine Bewertung der Geheimdienstinformationen anzufertigen.

 

Nun – bei solchen schwerwiegenden Ereignissen bekommt man immer eine Bewertung von den Geheimdiensten, dafür gibt es ja Geheimdienste. Was war also am 31. August 2013 außerhalb von Damaskus passiert? Wir brauchen eine Bewertung. Wer war verantwortlich? Unsere Jungs würden das nicht tun, wissen Sie, denn sie würden nicht mit der Antwort kommen können, die Kerry [Bild 8] entwickelt hatte und die er am 30. August 35 Mal formuliert hatte.

 

Es gab also keinen Geheimdienstbericht. Nachdem Kerry also all diese Propaganda von sich gegeben hatte, fragte sogar der Stenograph unserer Medien: Welche Beweise haben Sie? Und da kamen sie mit einem sogenannten „Government Assessment“ daher. Eine neue Gattung. In 50 Jahren habe ich niemals ein „Government Assessment“ gesehen. Aber, zu ihren Gunsten muss ich sagen, dass die Geheimdienstleute ja nun keinen Geheimdienstbericht herausgeben konnten. Dieses „Government Assessment“ soll wohl heißen, dass der Bericht durch politische Einflussnahme im Weißen Haus zustande kam.

 

Was passierte dann? Nun, Kerry trat am 3. September vor den Kongress, drei Tage nachdem der Präsident entschieden hatte, dass man das nicht machen würde, und Kerry sagte: „Wir müssen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, wir haben diese rote Linie gesetzt und wir müssen es machen und außerdem sind die „moderaten Rebellen“ dabei, zu gewinnen, sie beginnen zu gewinnen. Heben Sie Ihre Hände.“ Nun, er war vor dem Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Senats, der wirklich übereifrig war, anzugreifen.

 

Was passierte dann? Nun, am 4. September begab sich der Präsident nach St. Petersburg zu einem dieser Gipfeltreffen und am Ankunftstag stand Wladimir Wladimirowitsch Putin, der Präsident der Russischen Föderation, vor ihm und sagte: „John Kerry hat gesagt, dass die Moderaten dabei seien, zu gewinnen und dass Bashar al-Assad für den Giftgas-Anschlag außerhalb von Damaskus verantwortlich sei. [Nun spricht McGovern auf russisch das aus, was Putin gesagt hat:], das heißt: „Er lügt. Und er weiß, dass er lügt. Das ist traurig.“

 

Nun, ich habe ein halbes Jahrhundert lang russische Außenpolitik und die Aussagen russischer politischer Führungskräfte beobachtet und ich habe noch nie, noch niemals – nicht einmal zu Stalins Zeiten – erlebt, dass ein russischer Staatschef den US-Außenminister einen Lügner nannte. Aber er hatte Recht, und Obama, der in St. Petersburg ankam, wusste, dass er Recht hatte, denn Clapper hatte ja mit ihm schon gesprochen, und Clapper war der Koordinator der Geheimdienste. Was tat er? Putin sagte: „Barack, wir besprachen vor einigen Monaten, im Juni, in Nordirland dieses Problem bezüglich eines möglichen Giftgas-Einsatzes in Syrien. Sie wissen, es ist eine Tatsache, dass da Gruppen zusammenarbeiten, um einen Kriegsgrund zu schaffen. Also, lass mich mit Assad verhandeln. Ich denke, wir werden es schaffen, ihn davon zu überzeugen, diese Chemiewaffen unter Aufsicht zu vernichten. Lassen Sie mich das machen.“ Obama stimmte zu und kehrte nach Washington zurück.

 

Unterdessen war Kerry überall in der Welt herumgekommen, um Unterstützung für einen Angriff auf Syrien zu bekommen. Was dann passierte, war, dass Kerry in London war und sagte: „Sehen Sie, die rote Linie ist überschritten worden. Wenn wir nicht gegen diese schreckliche Bedrohung gegen uns alle angehen, wird es zu spät sein“ und schließlich fragte ihn jemand aus der Zuhörerschaft in London – ich denke, das war so um den 7. September 2013 herum: „Mr. Kerry, gibt es nichts, was Bashar al-Assad tun könnte, um einen Vergeltungsschlag zu verhindern?“ Und Kerry sagte, ziemlich herablassend: „Er könnte auf seine Chemiewaffen verzichten, aber das würde er nicht tun.“ … Also, er stieg ins Flugzeug und bekam einen Anruf von Präsident Obama: „John, sorry, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, aber wir haben jetzt diesen Deal mit den Russen. Wir haben vereinbart, dass Syrien morgen ankündigt, dass es alle seine Chemiewaffen abgibt, damit sie vernichtet werden können. […..] Deshalb möchte ich, dass wenn du morgen nach Genf kommst, sich die Arbeitsgruppen darum kümmern, diese Vereinbarung abzuschließen. Wir können das in einer Woche erledigt bekommen.“

 

Kerry sagte: „Oh“. Und er flog nach Genf und setzte das um.

 

Die meisten Amerikaner wissen nicht, dass alle Chemiewaffen von Assads Armee auf einem US-Schiff vernichtet worden sind, das extra dafür ausgerüstet ist, solche Chemiewaffen zu vernichten und das Problem war gelöst. […] Nun, diese Vorkommnisse zeigen jedenfalls den Einfluss israelischer Politik auf Kerry, Clinton und die US-Politik im Allgemeinen.

 

Als all das geschah, übernahm bei der New York Times eine relativ neue Bürochefin ihr Jerusalem Büro und ihr Name war Jodi Rudoren. Sie hatte noch nicht viel Erfahrung in Angelegenheiten des Nahen Ostens, aber sie war gut eingewiesen worden und sie wollte gute Arbeit leisten und während der Zeit, als all das passierte, sagte sie sich – und das spricht für sie: „ Ich gehe zu einem hochgestellten israelischen Regierungsbeamten und frage ihn mal, welches Ergebnis ihnen am liebsten wäre.“ Und das machte sie. Sie fragte israelische Regierungsbeamte, einige im Ruhestand, einige noch nicht … und was hat sie herausgefunden? Nun, der frühere israelische Generalkonsul in New York sagte ihr: „Nun, Miss Rudoren, es ist ein wenig peinlich, das zu sagen, aber unser bevorzugtes Ergebnis ist: kein Ergebnis.“

 

Sie fragte, wie er das meine. „Nun ja, ich sagte schon, das klingt nicht sehr human, aber es ist so, wie wenn Sie bei einem Ausscheidungskampf nicht wollen, dass ein Team gewinnt. Sie wollen auch nicht, dass einer verliert. Sie würden eigentlich ein Remis, ein Unentschieden bevorzugen.“ Und sie fragte: „Wie meinen sie das?“ „Solange Sunniten und Schiiten sich gegenseitig umbringen – nicht nur in Syrien, sondern auch in der gesamten Gegend, hat Israel von Syrien nichts zu fürchten.“ Das war am Labour Day Weekend . Jodi Rudoren, das muss man anerkennend feststellen, schrieb das alles auf, und – Wunder über Wunder – das erschien in der New York Times. Ich kann da nur spekulieren, dass da einige wohl schon fürs Wochenende am Strand waren. Und da ist es: Unser bevorzugtes Ergebnis ist kein Ergebnis.

 

Was sind die Hintergründe? Nun, 2013 war Bashar al-Assad gerade dabei, zu gewinnen. Er hatte viele dieser „moderaten Rebellen“ – böse „moderate“ Rebellen und moderate „moderate Rebellen, also viele Rebellen, sollte ich sagen – aus ihren schon vor einigen Jahren eroberten Gebieten zurückgedrängt; und Assad begann, Gebiete zurückzugewinnen. Wenn Sie also nicht wollen, dass eine Seite gewinnt, vor allem nicht Bashar al-Assad, was machen Sie dann? Dann locken Sie die USA in die Falle, offen militärisch einzugreifen. Auch wenn dann die USA nicht unbedingt gewinnen – Bashar al-Assad gewinnt auch nicht.

 

Es hat fast geklappt, und es ist wirklich erstaunlich, wie der Präsident sehr ankündigt, dass dies ein Schlüssel-Erfolg während seiner Präsidentschaft war, als jeder Andere sagte: Los, geh gegen Bashar al-Assad! Und die Frage ist natürlich: Warum? War er eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten? Nein. War er eine Bedrohung für Israel? Das wäre weit hergeholt. Aber wenn Sie an die Hisbollah denken, und wie sie bewaffnet wird durch Syrien, wenn Sie an Israels Bedenken über die sehr naheliegenden Bedrohungen von Hisbollah, von Hamas und anderen denken, dann wollen Sie Durcheinander und Chaos in Syrien, dann wollen Sie Syrien zerstückelt sehen, und das bekam man dann auch.

 

Das Letzte, was ich dazu noch sagen möchte, ist recht interessant, denn es war eine persönliche Erfahrung. Ich glaube, es war um den 8. September herum. Ich wurde zu CNN International gebeten, um über Syrien zu sprechen und ich kam in diesen mittelgoßen Raum, und als ich gerade die Türe geöffnet hatte, hätte ich diesen kleinen Typen beinahe umgerannt, wissen Sie, und ich blickte ihn an und es war Paul Wolfowitz [Bild 9]. [bei ca. Minute: 26:32] Nun, ich habe den Gewaltverzicht verinnerlicht und ich danke Gott dafür, denn so konnte ich mich beherrschen und tat nicht das, was ich, als Ire, wohl mit Paul Wolfowitz gemacht hätte, der, Scherz beiseite, verantwortlich ist für alle Arten von Mord und Totschlag und Zerstörung im Nahen Osten. So sagte ich: „Sorry“ und er sah mich an, als ob ich wirklich vorsichtig sein sollte. Ich schloss die Türe und wer war da noch am Ende des Raums… Joe Lieberman [Bild 10]. Zwei Erz-Neokons im selben Raum. Sie blickten auf diesen großen Fernsehbildschirm, auf dem einer von diesen CNN-„Experten“ versuchte, einen Sinn darin zu finden, warum Obama sich vor dem Militärschlag gedrückt habe, wie er diese rote Linie gesetzt habe und nun, oh, niemand würde uns mehr achten und nicht mehr an uns glauben. Er war wirklich eifrig, und ich dachte, hier bleib ich noch ein Weilchen und kuck mir das an.

 

Lieberman und Wolfowitz gingen zu einem separaten Studio, einem größeren, um dort ihr Interview zu geben, und ich beobachtete es an diesem Bildschirm. Das Erste, was Lieberman sagte, war: „Ich verstehe den Präsidenten nicht. Er braucht keine Zustimmung des Kongresses, um einen Krieg in Syrien zu beginnen“. Und Lieberman und Wolfowitz machten in dieser Art weiter. Die Atmosphäre war wie bei einer Beerdigung. Es hatte den Anschein, als ob Liebermans und Wolfowitz‘ Mutter von einem Lastwagen überrollt worden wäre. Sie hatten ihren Krieg nicht bekommen und sie waren wütend.

 

Da Lieberman gesagt hatte, dass der Präsident die Zustimmung des Kongresses nicht brauche, zog McGovern seine kleine Verfassung heraus, die er immer bei sich trägt und er las Artikel 1, Abschnitt 8, in dem geschrieben steht, dass Kriege der Zustimmung durch den Kongress bedürfen und er unterstrich es und er riss das Blatt heraus, den ganzen ersten Artikel und ging zum Aufzug. Nun, das ist nicht nur ein Aufzug, sondern etwas, das über und über geschmückt ist, wie in Saudi Arabien, echter Marmor und so weiter, und er wartete, bis Wolfowitz und Lieberman aus ihrem Studio herauskämen.

 

Nun: Man muss die Gepflogenheiten von Washington kennen. Nämlich, dass es unmöglich und nicht entschuldbar ist, jemanden zu vergessen, der wichtig sein könnte …

 

Ich kam also und sagte: Joe, Paul, ich bin Ray McGovern und sie sagten: Ach ja, und so schüttelte ich die Hand von Lieberman und Wolfowitz. Ich sagte: Joe, eine Sekunde, Paul, ich konnte es gerade nicht glauben. Waren Sie nicht 24 Jahre lang im Kongress, und Sie wissen nicht, dass der Präsident die Zustimmung des Kongresses benötigt, um einen neuen Krieg zu beginnen? Das wissen Sie nicht? Hier, ich habe Artikel 1, 8 herausgerissen, lesen Sie es und denken Sie darüber nach, okay? Und vielleicht korrigieren sie es dann mal bei CNN, okay?“ Und dann eilte Paul davon und dann tauchte auf einmal die 1,80 Meter große, wunder-, wunderschöne Begleitung von Paul und Lieberman auf. Und sie sah, was hier gerade geschah, und sagte: „Oh, Gentlemen, ich bin untröstlich.“ „Ich bin auch untröstlich“, sagte ich. „Was suchen diese Clowns in Ihrer Show? Die nicht einmal wissen, was in der Verfassung steht.“

 

Warum erzähle ich das? Weil diese archetypischen Neocons den Mund sehr voll nehmen und falsche Dinge auf CNN verkünden, nämlich dass der Präsident keine Autorisation zur Führung eines Krieges brauche. Und es war offensichtlich, dass die Neocons wirklich verärgert waren, weil sie ihren Krieg nicht bekommen hatten – aber fast, mit Kerrys Hilfe und mit der Hilfe von anderen, hätte die Falle für Obama zugeschnappt. Und man konnte ja sehen, dass der Präsident stolz darauf war, nicht hineingetappt zu sein. Er hatte ja schon in Bezug auf Libyen gesagt, dass das ein Fehler war und man keinen Plan für den Tag danach gehabt hätte. Wer hätte für Libyen den Tag danach planen sollen? Außenministerin Hillary Clinton.

 

So, diese Dinge sind wirklich wichtig, denn sie zeigen, dass diese Leute sich mehr darum kümmern, was die Israelis wollen, als dass sie sich um die Sicherheitsbelange der Vereinigten Staaten kümmern.

 

Sie sind bereit, unsere Politik in diese Richtung zu drehen. Was ist der Unterschied? Was ist die Definition von einen Neokonservativen? Meiner Ansicht nach ist das jemand, der große Schwierigkeiten hat, zwischen den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten auf der einen Seite und denen von Israel auf der anderen Seite zu unterscheiden. Nun, jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung. Ich jedenfalls finde nicht, dass solche Leute die US-Außenpolitik gestalten sollten und wenn Sie sich die Ankündigung von Hillary Clinton anhören, die Netanjahu gleich am ersten Tag ins Weiße Haus einladen möchte, dann kann man annehmen, dass dieses Problem in höchstem Maße bleibt, wenn sie so etwas wirklich beabsichtigt.

 

Ein herzliches Dankeschön an Angelika Eberl. Ein 30-minütiges Video zu übersetzen, ist harte Arbeit.

 

Quellen:

[1] YouTube, Ray McGovern: The Inside Scoop on the Middle East & Israel (Innenansicht auf den Mittleren Osten und Israel) <https://www.youtube.com/watch?v=wnITcUQiK1Y>

 

Dieser Text wurde zuerst am 29.04.2017 auf Nachdenkseiten.de unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=38084> veröffentlicht. (Lizenz: Nachdenkseiten.de)

Ray McGovern über Israel und den Nahen Osten

Von Published On: 30. Mai 2017Kategorien: Allgemein

Was Ray McGovern in einem Video vom Mai 2016 über die Planspielchen von Neocons in den USA, über eine vom US-Außenminister verbreitete Unwahrheit und über die Interessen Israels sagt, trägt zur Aufklärung bei und stützt Michael Lüders. Eine Leserin der NachDenkSeiten, Angelika Eberl, hat dieses Video [1] übersetzt.

 

Ray McGovern war 27 Jahre lang Mitarbeiter der CIA. Er war am Ende seiner Karriere verantwortlich für die morgendliche
Berichterstattung der Geheimdienste beim US-amerikanischen Präsidenten. Hier das Interview:

 

Es ist unmöglich, eine offene Diskussion über die US-Politik im Nahen Osten zu führen, ohne über die Beziehung der USA zu Israel zu sprechen. Die Leute sind ganz verwirrt, wenn sie unsere Politik gegenüber Syrien zu erklären versuchen. Sie macht keinen Sinn. Syrien – eine Bedrohung für uns? Nein. Warum soll Bashar al-Assad dann weg? Weil Obama es so sagt? Weil Hillary Clinton es sagt? Warum sagen sie so etwas? Falls Sie nicht verstehen, wo diese Politik ursprünglich herkommt, werde ich versuchen, es zu erklären.

 

Im Jahr 1996 wurde eine Studie erstellt für einen Mann, der zum ersten Mal Premierminister in Israel werden sollte. Sein Name war Netanjahu. Diese Studie ist hauptsächlich von Amerikanern, Neocons (Neokonservativen) erstellt worden.

 

Einige von ihnen waren sehr prominent, z. B. Douglas Feith [Bild 1], Nummer Drei im Pentagon unter George W. Bush [Bild 3 mit Rumsfeld] und andere und die meisten von ihnen waren US-Amerikaner: Richard Perle [Bild 2, bereits 1986 mit Präsident Reagan] war die andere Person, an die ich denke – er war der Kopf von Rumsfeld in dessen Verteidigungsministerium, der seiner Forschungstruppe helfen sollte. Sie fabrizierten dieses Papier und nannten es „A clean break – a new strategy for securing the realm“, also „einen glatten Bruch, eine neue Sicherheitsstrategie für das Gebiet“. Welches Gebiet? Nun das Gebiet war Israel – ein größeres Israel. Ein Israel, das während des Krieges von 1967 Gebiete besetzte.

 

Das ist ziemlich eindeutig. Es ist darin die Rede davon, dass es nötig sei, sicherzustellen, dass Syrien auseinandergerissen wird. Irak, nun über Irak sagen sie: Der Irak ist eine Beute für sich – man solle Saddam Hussein loswerden und dann werde man sich mit Iran und anderen Orten beschäftigen. Es war geschrieben worden von Douglas Feith, Richard Perle und anderen. Das steht da schwarz auf weiß. Das war 1996.

 

Einige Jahre später gab es das Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert, das „Project for a New American Century“ – fabriziert von denselben Leuten, die beschlossen hatten, dass
Israels Interessen zuallererst vorangetrieben werden sollten. Wenn man Saddam Hussein im Irak loswerde, sei er kein Problem mehr für die Israelis.

 

Nun, kurioserweise hätten es die Israelis lieber gehabt, dass zuerst der Iran drangekommen wäre. Manche der Neocons stolzierten umher und sagten: Irak? Die haben kein Militär, das der Rede wert wäre. Ein richtiger Mann würde nach Teheran gehen. Der Irak wäre ein Kinderspiel. Okay? Das war der Plan. Nun, spulen wir ein wenig nach vorne und schauen, was gerade in Syrien los ist, nachdem wir den Irak total zerstört haben. Wissen Sie, ich spreche hier über Strategien, aber in Wirklichkeit geht es um Menschen, nicht nur die 5.000 US-Soldaten, die getötet wurden, sondern mindestens Hunderttausende von Irakern, die wegen des Krieges ihr Leben verloren haben und alle Arten von Verstümmelungen und Verletzungen und Flüchtlingen. Millionen von Flüchtlingen innerhalb des Irak, außerhalb des Irak, in den umliegenden Ländern. Dasselbe in Syrien.

 

Was geschah nun in Syrien? Nun, 2011 gab es den Versuch, eine Art arabischen Frühling in Syrien zu entfachen. Es gab wirtschaftliche Schwierigkeiten, es gab Dürreperioden, und es gab Leute, die sagten: „Nun, lasst uns aus der Situation in Tunesien und Kairo Vorteile ziehen und schauen, ob wir hier etwas mehr „Demokratie“ installieren können“. Sofort. Diese Gelegenheit wurde von Leuten ergriffen, die Bashar al-Assad loswerden wollten. Darunter war auch Hillary Clinton  – und, im Weiteren, auch Präsident Obama. Was geschah? Wir begannen, nach „moderaten“ Rebellen zu suchen, um sie zu unterstützen. Sogar Obama sagte vor zwei Jahren (Anm.: also in 2014), dass es reine Fantasie sei, von „moderaten“ Rebellen zu sprechen. Er benutzte das Wort „Fantasie“. Es erhoben sich also „moderate“ Rebellen, wie Lazarus aus dem Grabe. Und wir unterstützen sie wieder, wie schon zuvor, mit einigen qualitativen Unterschieden, die aufgrund des russischen Eingreifens zustande gekommen waren.

 

Nun, der Hintergrund ist, dass wir, meiner Ansicht nach, die US-Politik im Nahen Osten und vor allem in Syrien nicht verstehen können, ohne zu erkennen, wie unsere Strategen geradezu damit prahlen, ja, wirklich damit prahlen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen der US-Politik und der Politik Israels. Das tut uns nicht gut, zwischen all den arabischen Staaten dort.

 

Doch wenn das so ist: Warum hat sich unser Präsident, Barack Obama, am 20. August 2012 [Bild 4] entschlossen, eine rote Linie zu ziehen? Wir alle wissen, dass Syrien chemische Waffen hat, die übrigblieben, als es von allen und jedem unterstützt wurde, aber es war niemals ratsam, sie zu nutzen, denn das wäre gleichbedeutend mit sofortigem Selbstmord. Die Israelis hätten
sofort mit Atombomben oder Ähnlichem geantwortet.

 

Ganz am Ende einer Pressekonferenz wurde Obama gefragt – eine ungewöhnliche Sache:
„Oh, Mr. Obama, Sie sagten, sie würden in Syrien militärisch nicht eingreifen – würden Sie tatsächlich niemals militärisch eingreifen?“ Darauf sagte Obama, als ob er ein Skript lesen würde: „Also, wenn die Syrer ihre chemischen Waffen einsetzen oder sie auch nur bewegen würden, dann wäre eine rote Linie überschritten.“

Die Rote Linie – seine Worte. (Präsident Obama wird eingeblendet und sagt:) „Dann würde ich meinen Ansatz bezüglich Syrien ändern. Für uns wäre das gegeben, wenn wir sehen, dass chemische Waffen bewegt werden oder sogar angewendet werden. Das würde meine Analyse ändern.“

 

Dann gäbe es also eine militärische Intervention. Nun, wer hat Obama diese Frage gestellt? Ich weiß es nicht, aber eine sichere Vermutung sagt mir, dass es Hillary Clinton war. Also, das war am 20. August 2012.

 

Am 21. August 2013, also ein Jahr später, gab es einen Chemiewaffen-Angriff außerhalb von Damaskus, an einem Ort, der Gutha hieß. Mehrere Hundert Personen starben. Sofort stand John Kerry da – nein, nicht sofort, er kam am 30. August und sagte: Bashar al-Assads Regierung hat das getan, Bashar al-Assads Regierung hat das getan, Bashar al-Assads Regime ist dieses Chemiewaffen-Angriffs schuldig. Deshalb müssten wir jetzt handeln, denn die rote Linie sei überschritten worden. … Wie oft hat er die Beschuldigung gegenüber Assad ausgesprochen? 35 Mal. 35 Mal. Man muss kein Shakespeare-Anhänger sein, um zu denken, dass er zu oft protestiert hat.

 

Das war am 30. August. Das waren die merkwürdigsten Umstände, die ich jemals gesehen habe in 53 Jahren. Was geschah dann? Es war sehr klar. Der Präsident selbst sagte: Unsere Streitkräfte sind bereits im östlichen Mittelmeer, die Franzosen haben ihre Kampfbomber auf der Rollbahn … und er hielt eine Rede im Rosengarten am Mittag des nächsten Tages. Ich war dort am Weißen Haus mit einigen anderen Leuten, die protestierten gegen den Krieg gegen Syrien: Hände weg von Syrien, keine Bomben, kein Krieg gegen Syrien, kein Vergeltungsschlag … und ich erfuhr von drinnen: Er würde es nicht tun. Er hatte seine Meinung geändert. Ich war der nächste Redner und ich nutzte diese Möglichkeit zu sagen: „Wenn das wahr ist, wenn es denn wahr wäre…“, ich konnte es nicht glauben, aber er änderte tatsächlich seine Meinung. Warum änderte er seine Meinung? Aus mehreren Gründen.

 

Die Kollegen vom Geheimdienst – unsere Kollegen von früher – würden nicht mit John Kerry gleichziehen. Die Beweise stanken.

 

Wir wussten, dass die Türken den Transport von Vorstufen chemischer Waffen ermöglicht hatten und zwar genau in das Gebiet in Syrien, an dem der chemische Angriff erfolgte. Wir erfuhren von unseren Kollegen, dass es viel eher die Rebellen gewesen waren, die das in einer klassischen False Flag Attack getan hatten, um Obama zu einem offenen Krieg gegen Syrien zu verleiten. Er sollte in eine Falle gelockt werden. Doch die Geheimdienste wollten dabei nicht mitmachen.

 

Was geschah noch? General Dempsey [Bild 5], der Vorsitzende der Stabschefs (Chairman of the Joint Chiefs of Staff), ging diese Nacht, am 30. August 2013 [Anmerk. d. Übers.: Das muss der 30. August gewesen sein], zum Präsidenten und sagte: “Herr Präsident, ich habe von meinen Kollegen in London gehört, dass das Sarin-Gas, das außerhalb von Damaskus eingesetzt worden ist, nicht das ist, das von der syrischen Regierung gelagert wird. Sie sollten Vorsicht walten lassen, einen Krieg zu beginnen, aufgrund von Vorkommnissen, die sehr nach einer Mausefalle aussehen.“ Und so änderte der Präsident seine Meinung. Das war großartig.

 

Und das zeigt, was für einen Einfluss Israel auf unsere Politik hat, denn es endete da noch nicht. Also, wir waren außerhalb des Weißen Hauses und sorgten uns, worüber der Präsident gesprochen hatte. Seine Rede kam verspätet, denn wir hatten einen solchen Rabatz gemacht und er wartete, bis es ruhig war. Was er ankündigte, war folgendes: „Der Vorsitzende der vereinten Stabschefs sagte mir, dass unsere Streitkräfte vorbereitet sind, wir haben Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer und die Franzosen sind auch startbereit. Wir können gegen Syrien jederzeit losschlagen. Aber er sagte mir auch, dass das nicht heute sein muss, auch nicht morgen und auch nicht diese Woche oder diesen Monat. Wir können es jederzeit machen. Und deshalb habe ich beschlossen, vor den Kongress zu gehen, um die entsprechende Zustimmung für diesen Militärschlag zu bekommen.“ Whow. (Man sieht eine Aufnahme von Obama während dieser Rede).

 

Obama: „Nach sorgfältiger Überlegung habe ich entschieden, dass die Vereinigten Staaten einen Militärschlag gegen Ziele des Syrischen Regimes durchführen sollten. Aber, als Oberster Befehlshaber der Streitkräfte und angesichts des Nationalen Sicherheitsinteresses, werde ich die Genehmigung für diesen Einsatz von den Volksvertretern des amerikanischen Volkes im Kongress einholen.“ (Ende Einblendung von Präsident Obama).

 

Ray McGovern: Nun, es waren nicht nur meine früheren Kollegen aus dem Geheimdienst, die dieses Mal ehrlich waren, es war nicht nur Dempsey, sondern sogar die Briten stimmten, zum ersten Mal in 855 Jahren, im Britischen Parlament gegen den Krieg und – Wunder über Wunder – es war August und deshalb waren die Kongress-Abgeordneten und Senatoren an ihren Heimatorten. Dort lernten sie sehr schnell, dass die Amerikaner diesen Krieg nicht wollten. Es gab also viele Faktoren, die alle zusammen kamen. Obama entschied sich für das Richtige. Doch von wem wurde er unterstützt? Von niemandem. Er gibt es zu. Er sagte öffentlich, dass er gegen den Rat von Biden und Kerry und jedem anderen agierte und er tat das Richtige und ist sehr stolz darauf.

 

Nun, was hat er kürzlich noch aufgedeckt? Er deckte auf, dass der Chef der nationalen Sicherheitsbehörden, ein Mann namens James Clapper [Bild 6], ihn eines Morgens unangemeldet aufsuchte und sagte: „Mr. Präsident, diese Sache da, dass Baschar Al Assad verantwortlich ist für den Chemiewaffen-Angriff bei Gutha – ich möchte nur darauf hinweisen, dass das keine todsichere Sache ist. Verstehen Sie, Mr. Präsident? Es ist keine todsichere Sache.“ Nun, das war eine Anspielung auf George
Tenet [Bild 7], den Mann, der George W. Bushs Anweisungen hinsichtlich Beschaffung gefälschter Geheimdienstberichte über den Irak befolgte. Er hatte damals gesagt, dass die Beweise dafür, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte, eine todsichere Sache seien. Das war um die Weihnachtszeit im Jahre 2002. Obama war also gewarnt worden. Er war gewarnt worden von James Clapper und Dempsey. Ich bin sicher, dass Dempsey zum Präsidenten Folgendes gesagt hat:

 

„Mr. Präsident, John Kerry ist ein wunderbarer Mann. Ein wunderbarer Mann, aber kein strategischer Denker. Mit allem nötigen Respekt, aber Boote den Mekong hinaufzuschippern macht einen noch lange nicht zu einem strategischen Denker. Er weiß nicht, was am Tag danach in Syrien passiert. Also, bei allem Respekt – Sie sehen, was er tun will und er ist vom Pfad abgekommen.“

 

Obama folgte diesem Rat und ist nun sehr stolz darauf, dass er das getan hat, und nun gibt er zu, dass der Chef der nationalen Sicherheitsbehörden ihm gesagt hat, dass es keine todsichere Sache war. Warum hat Clapper ihm das gesagt? Weil er sich einem partiellen Aufstand seiner Geheimdienst-Analysten gegenübersah, die sich weigerten – und das ist wichtig – die sich weigerten, eine Bewertung der Geheimdienstinformationen anzufertigen.

 

Nun – bei solchen schwerwiegenden Ereignissen bekommt man immer eine Bewertung von den Geheimdiensten, dafür gibt es ja Geheimdienste. Was war also am 31. August 2013 außerhalb von Damaskus passiert? Wir brauchen eine Bewertung. Wer war verantwortlich? Unsere Jungs würden das nicht tun, wissen Sie, denn sie würden nicht mit der Antwort kommen können, die Kerry [Bild 8] entwickelt hatte und die er am 30. August 35 Mal formuliert hatte.

 

Es gab also keinen Geheimdienstbericht. Nachdem Kerry also all diese Propaganda von sich gegeben hatte, fragte sogar der Stenograph unserer Medien: Welche Beweise haben Sie? Und da kamen sie mit einem sogenannten „Government Assessment“ daher. Eine neue Gattung. In 50 Jahren habe ich niemals ein „Government Assessment“ gesehen. Aber, zu ihren Gunsten muss ich sagen, dass die Geheimdienstleute ja nun keinen Geheimdienstbericht herausgeben konnten. Dieses „Government Assessment“ soll wohl heißen, dass der Bericht durch politische Einflussnahme im Weißen Haus zustande kam.

 

Was passierte dann? Nun, Kerry trat am 3. September vor den Kongress, drei Tage nachdem der Präsident entschieden hatte, dass man das nicht machen würde, und Kerry sagte: „Wir müssen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, wir haben diese rote Linie gesetzt und wir müssen es machen und außerdem sind die „moderaten Rebellen“ dabei, zu gewinnen, sie beginnen zu gewinnen. Heben Sie Ihre Hände.“ Nun, er war vor dem Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Senats, der wirklich übereifrig war, anzugreifen.

 

Was passierte dann? Nun, am 4. September begab sich der Präsident nach St. Petersburg zu einem dieser Gipfeltreffen und am Ankunftstag stand Wladimir Wladimirowitsch Putin, der Präsident der Russischen Föderation, vor ihm und sagte: „John Kerry hat gesagt, dass die Moderaten dabei seien, zu gewinnen und dass Bashar al-Assad für den Giftgas-Anschlag außerhalb von Damaskus verantwortlich sei. [Nun spricht McGovern auf russisch das aus, was Putin gesagt hat:], das heißt: „Er lügt. Und er weiß, dass er lügt. Das ist traurig.“

 

Nun, ich habe ein halbes Jahrhundert lang russische Außenpolitik und die Aussagen russischer politischer Führungskräfte beobachtet und ich habe noch nie, noch niemals – nicht einmal zu Stalins Zeiten – erlebt, dass ein russischer Staatschef den US-Außenminister einen Lügner nannte. Aber er hatte Recht, und Obama, der in St. Petersburg ankam, wusste, dass er Recht hatte, denn Clapper hatte ja mit ihm schon gesprochen, und Clapper war der Koordinator der Geheimdienste. Was tat er? Putin sagte: „Barack, wir besprachen vor einigen Monaten, im Juni, in Nordirland dieses Problem bezüglich eines möglichen Giftgas-Einsatzes in Syrien. Sie wissen, es ist eine Tatsache, dass da Gruppen zusammenarbeiten, um einen Kriegsgrund zu schaffen. Also, lass mich mit Assad verhandeln. Ich denke, wir werden es schaffen, ihn davon zu überzeugen, diese Chemiewaffen unter Aufsicht zu vernichten. Lassen Sie mich das machen.“ Obama stimmte zu und kehrte nach Washington zurück.

 

Unterdessen war Kerry überall in der Welt herumgekommen, um Unterstützung für einen Angriff auf Syrien zu bekommen. Was dann passierte, war, dass Kerry in London war und sagte: „Sehen Sie, die rote Linie ist überschritten worden. Wenn wir nicht gegen diese schreckliche Bedrohung gegen uns alle angehen, wird es zu spät sein“ und schließlich fragte ihn jemand aus der Zuhörerschaft in London – ich denke, das war so um den 7. September 2013 herum: „Mr. Kerry, gibt es nichts, was Bashar al-Assad tun könnte, um einen Vergeltungsschlag zu verhindern?“ Und Kerry sagte, ziemlich herablassend: „Er könnte auf seine Chemiewaffen verzichten, aber das würde er nicht tun.“ … Also, er stieg ins Flugzeug und bekam einen Anruf von Präsident Obama: „John, sorry, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, aber wir haben jetzt diesen Deal mit den Russen. Wir haben vereinbart, dass Syrien morgen ankündigt, dass es alle seine Chemiewaffen abgibt, damit sie vernichtet werden können. […..] Deshalb möchte ich, dass wenn du morgen nach Genf kommst, sich die Arbeitsgruppen darum kümmern, diese Vereinbarung abzuschließen. Wir können das in einer Woche erledigt bekommen.“

 

Kerry sagte: „Oh“. Und er flog nach Genf und setzte das um.

 

Die meisten Amerikaner wissen nicht, dass alle Chemiewaffen von Assads Armee auf einem US-Schiff vernichtet worden sind, das extra dafür ausgerüstet ist, solche Chemiewaffen zu vernichten und das Problem war gelöst. […] Nun, diese Vorkommnisse zeigen jedenfalls den Einfluss israelischer Politik auf Kerry, Clinton und die US-Politik im Allgemeinen.

 

Als all das geschah, übernahm bei der New York Times eine relativ neue Bürochefin ihr Jerusalem Büro und ihr Name war Jodi Rudoren. Sie hatte noch nicht viel Erfahrung in Angelegenheiten des Nahen Ostens, aber sie war gut eingewiesen worden und sie wollte gute Arbeit leisten und während der Zeit, als all das passierte, sagte sie sich – und das spricht für sie: „ Ich gehe zu einem hochgestellten israelischen Regierungsbeamten und frage ihn mal, welches Ergebnis ihnen am liebsten wäre.“ Und das machte sie. Sie fragte israelische Regierungsbeamte, einige im Ruhestand, einige noch nicht … und was hat sie herausgefunden? Nun, der frühere israelische Generalkonsul in New York sagte ihr: „Nun, Miss Rudoren, es ist ein wenig peinlich, das zu sagen, aber unser bevorzugtes Ergebnis ist: kein Ergebnis.“

 

Sie fragte, wie er das meine. „Nun ja, ich sagte schon, das klingt nicht sehr human, aber es ist so, wie wenn Sie bei einem Ausscheidungskampf nicht wollen, dass ein Team gewinnt. Sie wollen auch nicht, dass einer verliert. Sie würden eigentlich ein Remis, ein Unentschieden bevorzugen.“ Und sie fragte: „Wie meinen sie das?“ „Solange Sunniten und Schiiten sich gegenseitig umbringen – nicht nur in Syrien, sondern auch in der gesamten Gegend, hat Israel von Syrien nichts zu fürchten.“ Das war am Labour Day Weekend . Jodi Rudoren, das muss man anerkennend feststellen, schrieb das alles auf, und – Wunder über Wunder – das erschien in der New York Times. Ich kann da nur spekulieren, dass da einige wohl schon fürs Wochenende am Strand waren. Und da ist es: Unser bevorzugtes Ergebnis ist kein Ergebnis.

 

Was sind die Hintergründe? Nun, 2013 war Bashar al-Assad gerade dabei, zu gewinnen. Er hatte viele dieser „moderaten Rebellen“ – böse „moderate“ Rebellen und moderate „moderate Rebellen, also viele Rebellen, sollte ich sagen – aus ihren schon vor einigen Jahren eroberten Gebieten zurückgedrängt; und Assad begann, Gebiete zurückzugewinnen. Wenn Sie also nicht wollen, dass eine Seite gewinnt, vor allem nicht Bashar al-Assad, was machen Sie dann? Dann locken Sie die USA in die Falle, offen militärisch einzugreifen. Auch wenn dann die USA nicht unbedingt gewinnen – Bashar al-Assad gewinnt auch nicht.

 

Es hat fast geklappt, und es ist wirklich erstaunlich, wie der Präsident sehr ankündigt, dass dies ein Schlüssel-Erfolg während seiner Präsidentschaft war, als jeder Andere sagte: Los, geh gegen Bashar al-Assad! Und die Frage ist natürlich: Warum? War er eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten? Nein. War er eine Bedrohung für Israel? Das wäre weit hergeholt. Aber wenn Sie an die Hisbollah denken, und wie sie bewaffnet wird durch Syrien, wenn Sie an Israels Bedenken über die sehr naheliegenden Bedrohungen von Hisbollah, von Hamas und anderen denken, dann wollen Sie Durcheinander und Chaos in Syrien, dann wollen Sie Syrien zerstückelt sehen, und das bekam man dann auch.

 

Das Letzte, was ich dazu noch sagen möchte, ist recht interessant, denn es war eine persönliche Erfahrung. Ich glaube, es war um den 8. September herum. Ich wurde zu CNN International gebeten, um über Syrien zu sprechen und ich kam in diesen mittelgoßen Raum, und als ich gerade die Türe geöffnet hatte, hätte ich diesen kleinen Typen beinahe umgerannt, wissen Sie, und ich blickte ihn an und es war Paul Wolfowitz [Bild 9]. [bei ca. Minute: 26:32] Nun, ich habe den Gewaltverzicht verinnerlicht und ich danke Gott dafür, denn so konnte ich mich beherrschen und tat nicht das, was ich, als Ire, wohl mit Paul Wolfowitz gemacht hätte, der, Scherz beiseite, verantwortlich ist für alle Arten von Mord und Totschlag und Zerstörung im Nahen Osten. So sagte ich: „Sorry“ und er sah mich an, als ob ich wirklich vorsichtig sein sollte. Ich schloss die Türe und wer war da noch am Ende des Raums… Joe Lieberman [Bild 10]. Zwei Erz-Neokons im selben Raum. Sie blickten auf diesen großen Fernsehbildschirm, auf dem einer von diesen CNN-„Experten“ versuchte, einen Sinn darin zu finden, warum Obama sich vor dem Militärschlag gedrückt habe, wie er diese rote Linie gesetzt habe und nun, oh, niemand würde uns mehr achten und nicht mehr an uns glauben. Er war wirklich eifrig, und ich dachte, hier bleib ich noch ein Weilchen und kuck mir das an.

 

Lieberman und Wolfowitz gingen zu einem separaten Studio, einem größeren, um dort ihr Interview zu geben, und ich beobachtete es an diesem Bildschirm. Das Erste, was Lieberman sagte, war: „Ich verstehe den Präsidenten nicht. Er braucht keine Zustimmung des Kongresses, um einen Krieg in Syrien zu beginnen“. Und Lieberman und Wolfowitz machten in dieser Art weiter. Die Atmosphäre war wie bei einer Beerdigung. Es hatte den Anschein, als ob Liebermans und Wolfowitz‘ Mutter von einem Lastwagen überrollt worden wäre. Sie hatten ihren Krieg nicht bekommen und sie waren wütend.

 

Da Lieberman gesagt hatte, dass der Präsident die Zustimmung des Kongresses nicht brauche, zog McGovern seine kleine Verfassung heraus, die er immer bei sich trägt und er las Artikel 1, Abschnitt 8, in dem geschrieben steht, dass Kriege der Zustimmung durch den Kongress bedürfen und er unterstrich es und er riss das Blatt heraus, den ganzen ersten Artikel und ging zum Aufzug. Nun, das ist nicht nur ein Aufzug, sondern etwas, das über und über geschmückt ist, wie in Saudi Arabien, echter Marmor und so weiter, und er wartete, bis Wolfowitz und Lieberman aus ihrem Studio herauskämen.

 

Nun: Man muss die Gepflogenheiten von Washington kennen. Nämlich, dass es unmöglich und nicht entschuldbar ist, jemanden zu vergessen, der wichtig sein könnte …

 

Ich kam also und sagte: Joe, Paul, ich bin Ray McGovern und sie sagten: Ach ja, und so schüttelte ich die Hand von Lieberman und Wolfowitz. Ich sagte: Joe, eine Sekunde, Paul, ich konnte es gerade nicht glauben. Waren Sie nicht 24 Jahre lang im Kongress, und Sie wissen nicht, dass der Präsident die Zustimmung des Kongresses benötigt, um einen neuen Krieg zu beginnen? Das wissen Sie nicht? Hier, ich habe Artikel 1, 8 herausgerissen, lesen Sie es und denken Sie darüber nach, okay? Und vielleicht korrigieren sie es dann mal bei CNN, okay?“ Und dann eilte Paul davon und dann tauchte auf einmal die 1,80 Meter große, wunder-, wunderschöne Begleitung von Paul und Lieberman auf. Und sie sah, was hier gerade geschah, und sagte: „Oh, Gentlemen, ich bin untröstlich.“ „Ich bin auch untröstlich“, sagte ich. „Was suchen diese Clowns in Ihrer Show? Die nicht einmal wissen, was in der Verfassung steht.“

 

Warum erzähle ich das? Weil diese archetypischen Neocons den Mund sehr voll nehmen und falsche Dinge auf CNN verkünden, nämlich dass der Präsident keine Autorisation zur Führung eines Krieges brauche. Und es war offensichtlich, dass die Neocons wirklich verärgert waren, weil sie ihren Krieg nicht bekommen hatten – aber fast, mit Kerrys Hilfe und mit der Hilfe von anderen, hätte die Falle für Obama zugeschnappt. Und man konnte ja sehen, dass der Präsident stolz darauf war, nicht hineingetappt zu sein. Er hatte ja schon in Bezug auf Libyen gesagt, dass das ein Fehler war und man keinen Plan für den Tag danach gehabt hätte. Wer hätte für Libyen den Tag danach planen sollen? Außenministerin Hillary Clinton.

 

So, diese Dinge sind wirklich wichtig, denn sie zeigen, dass diese Leute sich mehr darum kümmern, was die Israelis wollen, als dass sie sich um die Sicherheitsbelange der Vereinigten Staaten kümmern.

 

Sie sind bereit, unsere Politik in diese Richtung zu drehen. Was ist der Unterschied? Was ist die Definition von einen Neokonservativen? Meiner Ansicht nach ist das jemand, der große Schwierigkeiten hat, zwischen den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten auf der einen Seite und denen von Israel auf der anderen Seite zu unterscheiden. Nun, jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung. Ich jedenfalls finde nicht, dass solche Leute die US-Außenpolitik gestalten sollten und wenn Sie sich die Ankündigung von Hillary Clinton anhören, die Netanjahu gleich am ersten Tag ins Weiße Haus einladen möchte, dann kann man annehmen, dass dieses Problem in höchstem Maße bleibt, wenn sie so etwas wirklich beabsichtigt.

 

Ein herzliches Dankeschön an Angelika Eberl. Ein 30-minütiges Video zu übersetzen, ist harte Arbeit.

 

Quellen:

[1] YouTube, Ray McGovern: The Inside Scoop on the Middle East & Israel (Innenansicht auf den Mittleren Osten und Israel) <https://www.youtube.com/watch?v=wnITcUQiK1Y>

 

Dieser Text wurde zuerst am 29.04.2017 auf Nachdenkseiten.de unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=38084> veröffentlicht. (Lizenz: Nachdenkseiten.de)