Was sagt uns das Wahlergebnis im Iran?

Die Parlamentswahl wird im Iran weniger wichtig als die Wahl des Regierungschefs angesehen, ist aber ein wichtiger Stimmungsmesser.

Von Published On: 3. Juni 2020Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 26.02.2020 auf www.kenfm.de unter der URL <https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-was-sagt-uns-das-wahlergebnis-im-iran/> veröffentlicht. Lizenz: Jochen Mitschka, KenFM.de

Logo der religiösen Konservativen Die Parlamentswahl im Iran 2020 fand am Freitag, den 21. Februar des Jahres statt. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_im_Iran_2020/, Foto: Wikipedia, Lizenz: Public Domain

Die Iraner sind in der glücklichen Situation, den Regierungschef direkt wählen zu dürfen, weshalb die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen meist über 75% liegt. Zusätzlich wird die Gesetzgebende Versammlung, das Parlament gewählt, dessen Einfluss auf die Politik geringer ist, was sich auch in der Wahlbeteiligung ausdrückt. In Deutschland wählen wir Parteien, welche die Regierung und die Abgeordneten für das Parlament bestimmen. Was dazu führt, dass es keine effektive Kontrolle der Regierung gibt, da die Gewaltenteilung aufgehoben ist. Was leicht zu erkennen ist, wenn Abgeordnete fünfzehn Minuten Zeit erhalten, um einem Krieg zuzustimmen [5]. Nun ist die Kontrolle der Regierung im Iran auch weniger durch das Parlament gegeben, als den Wächterrat, der die Funktion des Verfassungsgerichtes ausfüllt, und den religiösen Führer des Landes, der auch oberster Befehlshaber des Militärs ist. Diese Positionen sind stark durch einen Konsens zwischen der klerikalen Elite des Landes geprägt. Ähnlich wie die Regierungsbildung und die Besetzung des Verfassungsgerichtes durch die Parteielite in Deutschland. Allerdings agiert die Regierung im Iran auch durchaus nicht immer im Einklang mit der Meinung der klerikalen Führung, wie man am Abschluss des „Atomdeals“ JCPOA [14] erkennen kann, welcher vom geistlichen und politischen „Obersten Führer“ des Landes (seit 1989 Ali Chamenei) abgelehnt worden war.

 

Zusätzlich kann man beobachten, dass das Parlament sich immer mehr Rechte und Einfluss erkämpft. Was wiederum durch die Ablehnung von Kandidaten zur Wahl gedämpft wurde. Wogegen andererseits die Parteien ein System von Stellvertreterkandidaturen entwickelt haben. Man sieht, im Iran gibt es viel Bewegung in der Verteilung der politischen Macht und der Entwicklung der politischen Kultur.
Nun waren am Freitag, dem 21. Februar Parlamentswahlen im Iran. Tagelang tobte in westlichen Medien ein Propagandakrieg gegen diese. Im Vorfeld waren tausende von iranischen Konten in den Sozialen Medien gelöscht worden, während die Bots und Propagandakonten von pro-westlichen, durch die CIA unterstützten Konten durch die Massenmedien gefördert wurden (8). Es galt zu verhindern, dass die Parlamentswahlen als legitimer Ausdruck des Willens des iranischen Volkes anerkannt wird. Beispiele für die Entlarvung dieser Vorgehensweise wurden bereits im Jahr 2018 veröffentlicht [1]

Die Ziele der Propaganda

Eines der ersten Ziele war, die Wahlbeteiligung im Iran zu reduzieren. Wie vor den vergangenen Wahlen fuhr der „Westen“ eine massive Kampagne, mit der die Wahlbeteiligung gesenkt werden sollte, um daraus eine Delegitimation des Parlaments herleiten zu können. In der Vergangenheit war dies regelmäßig erfolglos gewesen. Das zweite Ziel war, zu erklären, dass tausende von Bewerbern abgelehnt worden wären, und deshalb die zur Wahl stehenden Abgeordneten gar nicht eine demokratische Repräsentation der Bevölkerung darstellen würden.

Allerdings vergaßen die Verbreiter dieser Nachricht zu erwähnen, wie denn das Aufstellen von Bewerbern zum Beispiel in Deutschland funktioniert. Natürlich können nicht Wahlzettel mit zehntausenden von Namen in die Wahllokale gebracht werden. Es muss eine Auswahl geben. Im Iran wird dies durch den so genannten Wächterrat organisiert.

„Der Wächterrat wird vom Parlament, dem Schlichtungsrat, dem Chef des Justizsystems und dem Staatsoberhaupt ernannt. Er besteht aus zwölf Mitgliedern mit einer Amtszeit von sechs Jahren. Sechs von ihnen werden vom Staatsoberhaupt ernannt. Sie sind gleichzeitig Theologen und Juristen. Die weiteren sechs Mitglieder sind Juristen, sie werden vom Justiz-Chef dem Parlament vorgeschlagen, von dem sie das Votum des Vertrauens erhalten müssen. (…) Seinen schlechten Ruf hat er im Westen dadurch erlangt, dass er die Interpretationsmacht über die Verfassung benutzte, um im westlichen Sinn progressive Kandidaten, aber auch in anderer Hinsicht unliebsame Bewerber, (…), gar nicht erst auf den Wahllisten zuzulassen. (…) [2].

Wie sieht es denn in Deutschland aus? Hier erfüllt die Funktion des Wächterrates für die Auswahl der Kandidaten der Konsens der „staatstragenden Parteien“ beziehungsweise die Parteiführungen. Nur wer sich in den Parteien „hocharbeitet“, hat eine Chance auf einen aussichtsreichen Listenplatz. Und im Fall von sicheren Direktmandaten, kann man sogar sagen, dass die Partei den Mandatsträger schon durch die Nominierung ernennt, und dass die Wahl nur noch eine Formsache ist.

Die westlichen Propagandamedien erklären, dass die Iraner die Wahlen boykottieren sollten, weil keine Kandidaten zugelassen werden, welche eine so genannte „liberale Demokratie“ nach dem Vorbild der USA einführen wollen.

Ich bitte zu überlegen, ob in Deutschland wohl ein Kandidat von den Parteien aufgestellt werden würde, der sich für die Einführung der Scharia an Stelle des Grundgesetzes auf die Fahnen geschrieben hätte.

Die „Überlegenheit“ des deutschen Systems ergibt sich aus dem Glauben, dass unser System des Parteienkartells, welches die Politik in Deutschland bestimmt, dem System der weitgehend theokratisch gesteuerten Gesellschaft im Iran moralisch überlegen wäre. Es waren aber die deutschen Regierungen, die aktiv an Angriffskriegen teilnahmen [3], was längst eine bewiesene Tatsache ist. Während sich der Iran seit dem CIA Putsch von 1953, mit dem ein demokratisches System gestürzt wurde, einem permanenten Krieg der westlichen Großmächte gegen das Land ausgesetzt sieht.

Ein Angriffs-Krieg, der mit Morden, Sanktionen, mit offenem Krieg wie im Fall des Angriffs des Iraks mit Hilfe der USA von 1980 bis 1988, und mit CyberWar geführt wird. Entgegen Deutschland hat der Iran kein einziges Land militärisch angegriffen. So viel zur moralischen Überlegenheit. Auf die anderen Kritikpunkte einzugehen, und sie mit dem System in Deutschland abzugleichen, würde in diesem Format zu weit führen. So fluteten vor der Wahl Propagandanachrichten von tausenden von Konten die Sozialen Medien mit Hashtags wie #BoycottIranShamElections oder #MyVoteRegimeChange. Die Postings behaupten, dass niemand die Regierung unterstützen würde, dass Wahlen wertlos wären und alles nur eine große Inszenierung des „Regimes“. Dabei sollte man wissen, dass es ganz offiziell Cyber-Warrior von Saudi-Arabien, Israel und inoffiziell der Terroristenorgansation MEK [5], inzwischen unter der Regie der CIA, gibt.

Die Vorhersagen

Wie zum Beispiel das ZDF [4], sagten die wichtigsten westlichen Massenmedien das Offensichtliche schon voraus, nämlich dass die „gemäßigten“ Politiker einen Rückschlag erleiden würden, und erstmals seit längerer Zeit wieder Konservative und Hardliner die Mehrheit im Parlament gewinnen könnten. Als Grund wurde angegeben, dass viele der gemäßigten Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen worden wären. Die Tatsache, dass der Westen durch den Bruch des Atom-Deals JCPOA dem gemäßigten Regierungschef Ruhani [auch Rohani] einen Dolch in den Rücken gestoßen hatte, wird nur manchmal angedeutet. Was passierte, hatten die Hardliner, die von Anfang an gegen den Vertrag waren, vorausgesagt. Sie hatten den Vertrag als Fehler gebrandmarkt, weil man mit den USA keinen Vertrag eingehen könne, und sie hatten in den Augen der Iraner Recht behalten. Hinzu kommen die demütigenden Luftangriffe Israels auf Ziele in Syrien und den Irak, womit „iranische Ziele“ getroffen werden sollen. Angriffe, auf die der Iran glücklicherweise bisher nicht militärisch reagiert hat.

Die Wahlergebnisse

Am Wahltag konnte man teilweise lange Schlangen vor Wahllokalen sehen, während Boykott-Befürworter leere Plätze posteten, als Beweis, dass der Boykott befolgt würde. Natürlich gab es unterschiedliche Wahlbeteiligungen, und zum Beispiel in den kurdischen Bereichen, in denen es eine Unabhängigkeitsbewegung gibt, die vom Ausland unterstützt wird, war die Beteiligung sicher unterdurchschnittlich. Ebenso in der 9 Millionen Metropole Teheran, wo die Angst vor dem Virus besonders groß war. Der gesellschaftliche Druck war kurz vor dem Wahltag erhöht worden, indem die Wahl zu einer nationalen Pflicht ernannt wurde, durch welcher dem feindlichen Ausland, gezeigt werden sollte, dass das Land geschlossen hinter dem Regierungssystem steht.

Die Öffnung der Wahllokale wurde mehrere Male verlängert, weil letztendlich der Andrang in manchen Gebieten doch groß war, und die Wähler spät kamen. In Wahlkreisen, in denen keiner der Bewerber mehr als 20% der Stimmen erreichte, wird voraussichtlich Anfang April ein zweiter Wahlgang stattfinden.

Am 23. Februar berichtet der Spiegel, dass die Wahlbeteiligung mit 42,57% „deutlich niedriger als angenommen“ ausgefallen wäre. Dass bei den wesentlich wichtigeren Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017 73,1% Wahlbeteiligung verzeichnet wurden, und bei den EU-Wahlen eine „Rekordwahlbeteiligung“ von gerade mal 50,6% in den Medien bejubelt wurde, sollte man vielleicht wissen, wenn man liest „Nicht mal jeder Zweite ging zur Wahl„. Trotzdem kann die geringste Wahlbeteiligung seit vielen Jahren auch als Protest gegen die Disqualifizierung von 81 derzeitigen Abgeordneten gewertet werden, die nicht an diesen Wahlen teilnehmen konnten, und nur über Stellvertreter auf den Wahl-Listen erschienen. Die Wahlenthaltung ist durchaus im Iran, und wäre es auch in Deutschland, ein Mittel, um die politischen Führungen zu Konzessionen zu bewegen.

Es wird zu prüfen sein, welche Rolle die Virusfälle in vier verschiedenen Städten gespielt haben. Bis zum 24. Februar waren immerhin 12 Menschen am Virus gestorben [12] und Pakistan hatte die Grenzübergänge deshalb geschlossen. Ein prominenter saudischer Journalist mit fast einer Million Twitter-Follower freute sich über den Ausbruch des Corona-Virus im Iran und schrieb: „Schauen Sie sich die Straßen von Qom an, nachdem sich #Corona ausgebreitet hat. Sie sind verängstigt. Wo ist ihr ‚Tod für Amerika‘ jetzt?“ [11]

Am 24. Februar wurden immer mehr Wahlergebnisse bekannt und erste Videos von vor Freude tanzenden Iranern wurden verbreitet [13]. Es bestätigte sich, dass konservative und radikale Bewerber von den Wählern favorisiert wurden.

Im Mai 2021 wird der Nachfolger von Präsident Rohani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten darf, gewählt werden. Und sollte sich die Politik des Westens nicht gravierend ändern, dürfte die Tendenz zu einer Verhärtung der Haltung des Irans gegenüber dem Westen weiter gehen, und nach vielen Jahren ein Regierungschef gewählt werden, welcher dem Westen wesentlich kritischer gegenüber steht.

Übereinstimmung mit Umfragen

Da das Wahlergebnis nicht das vom Westen gewünschte Ergebnis widerspiegelt, gibt es Aussagen, dass die Wahlen wieder einmal manipuliert wären. Und so ist es sinnvoll, die Wahlergebnisse mit Umfragen zu vergleichen, welche westliche, und sicher nicht im Sinne des iranischen Establishments agierende Institute durchgeführt hatten. Das „Center for International and Security Studies at Maryland (CISSM) & IranPoll“ führen seit 2015 regelmäßig Umfragen durch, welche einen guten Einblick in die Meinung der Bevölkerung ermöglichen, ebenso wie in die Veränderungen. Die neuesten Umfragen wurden Ende 2019 erhoben [6]. Hier einige Ergebnisse.

Es besteht einhellig die Meinung, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert hat. Jedoch halten 79,5% der befragten den Bruch des JCPOA durch die USA dafür verantwortlich und antworteten, dass dies „großen negativen Einfluss“ (47,7) oder „einigen negativen Einfluss“ (31,8%) hatten. Wobei durchaus auch Korruption und Missmanagement von 45,5% der Befragten beklagt wurden. Während 37,5% „ausländische Sanktionen und Druck“ als größten Verursacher der schlechten Wirtschaftslage ansahen. 69,3% der Befragten wünschten sich eine Wirtschaftspolitik, die den Iran unabhängig vom Ausland macht („Streben nach wirtschaftlicher Selbstversorgung“).

Der Atomdeal

Was den Atomdeal (JCPOA) angeht, hatten im Jahr 2015 noch 76,5% dem Vertrag „stark zugestimmt“ oder „etwas zugestimmt“. Im Jahr 2019 hatte sich das nach dem Bruch des Vertrages durch die USA und der Nichterfüllung durch Frankreich, Großbritannien und Deutschland geändert. Nun lehnten 51,7% der Befragten den Vertrag „stark“ oder „etwas“ ab. Und nur noch 42,3% stimmten ihm „stark“ oder „etwas“ zu.

Dann stellt die Umfrage folgende Frage:

„Wie Sie vielleicht wissen, hat unsere Regierung [16] als Vergeltung für den Rückzug der USA aus dem JCPOA-Abkommen und die Wiedereinführung der Sanktionen einige Grenzen überschritten, die sie im Rahmen des JCPOA akzeptiert hat, und mit einem Rückzug gedroht, falls die anderen P5+1-Länder nicht mehr tun, damit der Iran von dem Abkommen profitieren kann.

Die anderen P5+1-Länder haben daraufhin geantwortet, dass die jüngsten Aktionen des Iran es ihnen erschweren, die vom Iran geforderten Schritte zu unternehmen. In diesem Sinne, inwieweit unterstützen oder widersetzen Sie sich der jüngsten Entscheidung unserer Regierung?“

74,3% erklärten, die Schritte der Regierung „stark“ oder „etwas“ zu unterstützen. 12,8% sind „etwas“ dagegen und nur 6,8% sind entschieden gegen die teilweise Aufhebung der Selbstbeschränkungen. Nun muss man wissen, dass diese 6,8% nicht unbedingt Unterstützer von Trump sind. Vielmehr gibt es eine starke religiöse Strömung, welche die Entwicklung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen ablehnt, und befürchtet, dass die Aufhebung der Beschränkungen doch zu einer Aufnahme der Entwicklung von Kernwaffen führen könnte.

In den Folgefragen, bzw. den Antworten darauf lässt sich erkennen, dass die Skepsis der Iraner gegenüber europäischer Politik tief sitzt. Ebenso was eine neue Vereinbarung mit den USA angeht. So lautet die Frage 19:

„Was wäre, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs auch die Vereinigten Staaten davon überzeugen würden, den wichtigsten Ölkunden des Iran zu erlauben, wieder Öl aus dem Iran zu kaufen, wenn der Iran sich bereit erklären würde, die Bedingungen des JCPOA wieder vollständig zu erfüllen?“

Die Antworten: „Ich würde eine solche Vereinbarung stark unterstützen = 12,6%“, „Ich würde eine solche Vereinbarung etwas unterstützen = 31,1%“, „ich wäre etwas dagegen = 22,0%“, „Ich wäre stark dagegen = 32,1%“.

In Frage 28 einer separaten Befragung wird untersucht, ob die Befragten sich pro oder contra der nuklearen Weiterentwicklung aussprechen, falls die USA die Atomanlagen des Landes angreifen sollten. Die Antworten lauten:

„Ausweitung der [bisherigen] nuklearen Aktivitäten = 61,8%“, „Wiederaufbau des Nuklearprogramms auf das derzeitige Niveau = 16,0%“ „Reduzierung der nuklearen Aktivitäten = 9,5%“, „Vollständige Einstellung der nuklearen Aktivitäten = 7,8%“. Wie gesagt, die Ablehnung stammt zum Teil nicht von Befürwortern einer pro-westlichen Politik, sondern von ultra-religiösen Gruppen, welche solche Waffen grundsätzlich ablehnen.

Wenn nach der Sympathie der Iraner gegenüber anderen Staaten gefragt wird, dürfte auch interessant sein, dass 81,8% der Befragten die Vereinigten Staaten von Amerika „eher negativ“ oder „sehr negativ“ sehen. Insofern erscheint die Behauptung der US-Regierung, die Iraner würden sich nach einer „Befreiung“ von der „Diktatur der Mullahs“ sehnen, unglaubwürdig.

Raketen

Die USA fordern ja auch, dass der Iran seine Raketenentwicklung aufgeben sollte. Dem widersprachen 44,7% der Befragten absolut („Der Iran sollte nicht über sein Raketenprogramm und seine militärischen Aktivitäten im Nahen Osten [Middle East] verhandeln„), während 35,7% erklärten, dass solche Verhandlungen nur möglich wären, nachdem sowohl die USA als auch Europa sich im vollen Einklang mit den Vereinbarungen des JCPOA verhalten würden, und alle Sanktionen aufgehoben werden.

Eindeutig auch der Abfall der Beliebtheit des „gemäßigten“ Regierungschefs Ruhani. Waren im Jahr 2015 noch 91,1% der Befragten „sehr“ oder „etwas“ von ihm überzeugt, waren es im August 2019 nur noch 42,3%. Während die eher dem Westen kritischer eingestellte Politiker, wie Ebrahim Raisi, von 2017 mit 48,3% im August 2019 auf 58,6% gestiegen waren. Das wird von der Bevölkerung nicht wegen angeblich steigender Korruption so gesehen. Denn 77,9% der Befragten erklärten, dass die Korruption gleich geblieben, oder leicht bzw. stark gesunken wäre. Und nur 0,4% erklärten, dass sie die Regierung als korrupt ansehen würden.

Und schließlich ergab die Umfrage, dass 76,6% der Befragten für eine „Bestrafung“ sind, sollten iranische Schiffe oder der Luftraum des Irans angegriffen werden. Und nur 18,9% erklärten, dass der Iran vorsichtig sein sollte, damit sich kein größerer Konflikt entzündet.

Die „Terrororganisation“ Revolutionsgarden

Die USA und Israel hatten die iranischen Revolutionsgarden zur „Terrororganisation“ erklärt. Insofern war es interessant zu sehen, wie dieser wichtigste Teil der Landesverteidigung von den Bürgern des Landes gesehen wird. In einer Frage 27 heißt es: „Sind Sie generell der Meinung, dass die Aktivitäten der Iranischen Revolutionsgarden in der Region des Nahen Ostens den Iran mehr oder weniger sicher gemacht haben? Viel oder etwas?“ Die Antworten lauteten: „Sehr viel sicherer = 53,7%“, „etwas sicherer = 26,8%“, „etwas weniger sicher = 9,3%“, „sehr viel weniger sicher = 7,5%“. Was wiederum der Nachweis dafür ist, dass auch die Außenpolitik der Regierung in Hinsicht auf die Unterstützung von Unabhängigkeitsbewegungen im Irak, Libanon, Jemen und der Regierung Syriens auf Zustimmung in der Bevölkerung trifft.

Fazit

Die Weltsicht, welche uns die westlichen Medien, und insbesondere die Tagesschau als Leitwolf der deutschen Medien, in die Gehirne brennen, ist alleine und ausschließlich eine Weltsicht westlicher Eliten. Noch nicht einmal reine Faktenberichterstattung aus nichtwestlichen Agenturen wird zugelassen [9]. So sollen wir dazu erzogen werden, jederzeit die Sichtweise zu verinnerlichen, welche uns durch die Medien vermittelt wird. Die Berichterstattung über die Wahlen im Iran sind dafür ein Beispiel. Im Vordergrund der Wünsche der Menschen des Irans stehen Kampf gegen Korruption und für wirtschaftliche Entwicklung. Weder Wahlergebnisse, noch Umfragen unterstützen die Behauptung, dass die Menschen des Iran eine grundlegende Veränderung der Politik ihrer Führung und Unterwerfung unter die westliche Hegemonie wünschen. Weshalb man davon ausgehen muss, dass die Führung des Landes durchaus den Willen der Mehrheit der Bevölkerung respektiert.

Während Angela Merkel erklärte, dass die wichtigsten Entscheidungen des politischen Establishments gegen den Willen der deutschen Bevölkerung erfolgte, und dies als „Primat der Politik“ verteidigte [7]. Und so wird unser „Kreuzzug“ für „liberale westliche Werte“ als neo-koloniales Denken einer Elite entlarvt, der es ihr ermöglicht, mit auf Mitleid und Emotionen basierter Propaganda gegenüber der eigenen Bevölkerung, Menschen tötende Sanktionen und sogar einen Krieg gegen den Iran zu begründen.

Natürlich möchte kein Deutscher, der liberal und säkular aufgezogen wurde, in einem von religiöser Striktheit durchzogenen Gesellschaft leben. Genau so verabscheuen aber viele religiöse Iraner das oberflächliche Leben ohne jede Spiritualität vieler Deutschen.

Und ganz sicher möchte keiner von beiden gezwungen werden, sich dem jeweils anderen anzupassen. Aber genau das versucht der Westen mit grausamen Methoden. Und erreicht das Gegenteil.

Ohne den permanenten Krieg gegen die iranische Bevölkerung seit 1953 und die Revolution von 1979, hätte sich die iranische Gesellschaft längst weiter entwickelt, wäre toleranter geworden. Aber durch den Druck von Außen verhärten sich die Fronten, extreme Ansichten erhalten Zulauf, und so drückte sich auch in diesen Wahlen aus, was auf Grund westlicher Politik zu erwarten gewesen war. Die neue Generation von Hardlinern wird noch gefährlich werden für den Westen. Denn sie strebt eine Renaissance der Ideen der Revolution an, die viel stärker säkular und sozialistisch geprägt war, als die Politik es heute noch widerspiegelt [10] Aber was wäre die westliche Rüstungsindustrie, ohne ein ordentliches Feindbild?

Quellen:

[1] Telepolis, Jochen Mitschka, „Iran: Soziale Netzwerke, Zensur und Manipulation“, am 07.10.2018,  <https://www.heise.de/tp/features/ Iran-Soziale-Netzwerke-Zensur-und-Manipulation-4182775.html und Telepolis, „Iran: Die Kopftuchikone der USA“, am 06.10.2018, https://www.heise.de/tp/features/Iran-Die-Kopftuchikone-der-USA-4182018.html>
[2] Alitheia Verlag, Jochen Mitschka, „Schattenkriege des Imperiums – Der Krieg gegen den Iran“, <http://www.alitheia-verlag.de/ product_info.php?products_id=5>
[3] Amazon, Jochen Mitschka, „Deutschlands Angriffskriege: Der verlorene Geist des Grundgesetzes“, <https://www.amazon.de/ Deutschlands-Angriffskriege-verlorene-Geist-Grundgesetzes/dp/3864456878>
[4] ZDF, dpa, AFP, „Geringe Wahlbeteiligung im Iran“, am 21.02.2020, <https://www.zdf.de/nachrichten/politik/wahlen-iran-ruhani-100.html>
[5] Youtube, Marco Bülow, „Marco Bülow über Lobbyismus (Teil 5): Entscheidung zum Kriegseinsatz im Eilverfahren“, am 28.06.2016, <https://youtu.be/T5jCOEJx1eU>
[6] CISSM, „Iranian Public Opinion Under „Maximum Pressure““, Oktober 2019,  <https://static1.squarespace.com/static/ 5525d831e4b09596848428f2/t/5da734202da90301ed6f707f/1571238944905/CISSM_IranPoll_All_trend_tables_FINAL.pdf>
[7] KenFm, Jochen Mitschka, „Das Primat der politischen Parteien“, am 24.04.2019, <https://kenfm.de/standpunkte-%E2%80%A2-das-primat-der-politischen-parteien>
[8] Telepolis, Jochen Mitschka, „Iran: Soziale Netzwerke, Zensur und Manipulation“, am 07.10.2018, <https://www.heise.de/tp/features/ Iran-Soziale-Netzwerke-Zensur-und-Manipulation-4182775.html>
[9] NachDenkSeiten, „Die Tagesschau ist systematisch auf die Weltsicht westlicher Nachrichtenagenturen fixiert“, am 24.02.2020,  <https://www.nachdenkseiten.de/?p=58762>
[10] Al-Monitor, Rohollah Faghihi, „Meet the new generation of Iranian hard-liners“, am 18.07.2018, <https://www.al-monitor.com/pulse/ originals/2018/07/iran-new-generation-innovative-revolutionaries-hardliners.html>
[11] Twitter, Walid, am 23.02.2020, <https://twitter.com/walid970721/status/1231874725846167553>
[12] Islamic Republic News Agency, „Lawmaker: Coronavirus kills 12, affects 47 in Iran“, am 24.02.2020, <https://en.irna.ir/news/83688749/ Lawmaker-Coronavirus-kills-12-affects-47-in-Iran>
[13] Twitter, Zahra Shafei, am 24.02.20020, <https://twitter.com/shafei_d/status/1231879618187145216>
[14] (Joint Comprehensive Plan of Action)
[15] (Mojahedin-e-Khalq-Organization)
[16] Gemeint ist der Iran

Was sagt uns das Wahlergebnis im Iran?

Die Parlamentswahl wird im Iran weniger wichtig als die Wahl des Regierungschefs angesehen, ist aber ein wichtiger Stimmungsmesser.

Von Published On: 3. Juni 2020Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 26.02.2020 auf www.kenfm.de unter der URL <https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-was-sagt-uns-das-wahlergebnis-im-iran/> veröffentlicht. Lizenz: Jochen Mitschka, KenFM.de

Logo der religiösen Konservativen Die Parlamentswahl im Iran 2020 fand am Freitag, den 21. Februar des Jahres statt. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_im_Iran_2020/, Foto: Wikipedia, Lizenz: Public Domain

Die Iraner sind in der glücklichen Situation, den Regierungschef direkt wählen zu dürfen, weshalb die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen meist über 75% liegt. Zusätzlich wird die Gesetzgebende Versammlung, das Parlament gewählt, dessen Einfluss auf die Politik geringer ist, was sich auch in der Wahlbeteiligung ausdrückt. In Deutschland wählen wir Parteien, welche die Regierung und die Abgeordneten für das Parlament bestimmen. Was dazu führt, dass es keine effektive Kontrolle der Regierung gibt, da die Gewaltenteilung aufgehoben ist. Was leicht zu erkennen ist, wenn Abgeordnete fünfzehn Minuten Zeit erhalten, um einem Krieg zuzustimmen [5]. Nun ist die Kontrolle der Regierung im Iran auch weniger durch das Parlament gegeben, als den Wächterrat, der die Funktion des Verfassungsgerichtes ausfüllt, und den religiösen Führer des Landes, der auch oberster Befehlshaber des Militärs ist. Diese Positionen sind stark durch einen Konsens zwischen der klerikalen Elite des Landes geprägt. Ähnlich wie die Regierungsbildung und die Besetzung des Verfassungsgerichtes durch die Parteielite in Deutschland. Allerdings agiert die Regierung im Iran auch durchaus nicht immer im Einklang mit der Meinung der klerikalen Führung, wie man am Abschluss des „Atomdeals“ JCPOA [14] erkennen kann, welcher vom geistlichen und politischen „Obersten Führer“ des Landes (seit 1989 Ali Chamenei) abgelehnt worden war.

 

Zusätzlich kann man beobachten, dass das Parlament sich immer mehr Rechte und Einfluss erkämpft. Was wiederum durch die Ablehnung von Kandidaten zur Wahl gedämpft wurde. Wogegen andererseits die Parteien ein System von Stellvertreterkandidaturen entwickelt haben. Man sieht, im Iran gibt es viel Bewegung in der Verteilung der politischen Macht und der Entwicklung der politischen Kultur.
Nun waren am Freitag, dem 21. Februar Parlamentswahlen im Iran. Tagelang tobte in westlichen Medien ein Propagandakrieg gegen diese. Im Vorfeld waren tausende von iranischen Konten in den Sozialen Medien gelöscht worden, während die Bots und Propagandakonten von pro-westlichen, durch die CIA unterstützten Konten durch die Massenmedien gefördert wurden (8). Es galt zu verhindern, dass die Parlamentswahlen als legitimer Ausdruck des Willens des iranischen Volkes anerkannt wird. Beispiele für die Entlarvung dieser Vorgehensweise wurden bereits im Jahr 2018 veröffentlicht [1]

Die Ziele der Propaganda

Eines der ersten Ziele war, die Wahlbeteiligung im Iran zu reduzieren. Wie vor den vergangenen Wahlen fuhr der „Westen“ eine massive Kampagne, mit der die Wahlbeteiligung gesenkt werden sollte, um daraus eine Delegitimation des Parlaments herleiten zu können. In der Vergangenheit war dies regelmäßig erfolglos gewesen. Das zweite Ziel war, zu erklären, dass tausende von Bewerbern abgelehnt worden wären, und deshalb die zur Wahl stehenden Abgeordneten gar nicht eine demokratische Repräsentation der Bevölkerung darstellen würden.

Allerdings vergaßen die Verbreiter dieser Nachricht zu erwähnen, wie denn das Aufstellen von Bewerbern zum Beispiel in Deutschland funktioniert. Natürlich können nicht Wahlzettel mit zehntausenden von Namen in die Wahllokale gebracht werden. Es muss eine Auswahl geben. Im Iran wird dies durch den so genannten Wächterrat organisiert.

„Der Wächterrat wird vom Parlament, dem Schlichtungsrat, dem Chef des Justizsystems und dem Staatsoberhaupt ernannt. Er besteht aus zwölf Mitgliedern mit einer Amtszeit von sechs Jahren. Sechs von ihnen werden vom Staatsoberhaupt ernannt. Sie sind gleichzeitig Theologen und Juristen. Die weiteren sechs Mitglieder sind Juristen, sie werden vom Justiz-Chef dem Parlament vorgeschlagen, von dem sie das Votum des Vertrauens erhalten müssen. (…) Seinen schlechten Ruf hat er im Westen dadurch erlangt, dass er die Interpretationsmacht über die Verfassung benutzte, um im westlichen Sinn progressive Kandidaten, aber auch in anderer Hinsicht unliebsame Bewerber, (…), gar nicht erst auf den Wahllisten zuzulassen. (…) [2].

Wie sieht es denn in Deutschland aus? Hier erfüllt die Funktion des Wächterrates für die Auswahl der Kandidaten der Konsens der „staatstragenden Parteien“ beziehungsweise die Parteiführungen. Nur wer sich in den Parteien „hocharbeitet“, hat eine Chance auf einen aussichtsreichen Listenplatz. Und im Fall von sicheren Direktmandaten, kann man sogar sagen, dass die Partei den Mandatsträger schon durch die Nominierung ernennt, und dass die Wahl nur noch eine Formsache ist.

Die westlichen Propagandamedien erklären, dass die Iraner die Wahlen boykottieren sollten, weil keine Kandidaten zugelassen werden, welche eine so genannte „liberale Demokratie“ nach dem Vorbild der USA einführen wollen.

Ich bitte zu überlegen, ob in Deutschland wohl ein Kandidat von den Parteien aufgestellt werden würde, der sich für die Einführung der Scharia an Stelle des Grundgesetzes auf die Fahnen geschrieben hätte.

Die „Überlegenheit“ des deutschen Systems ergibt sich aus dem Glauben, dass unser System des Parteienkartells, welches die Politik in Deutschland bestimmt, dem System der weitgehend theokratisch gesteuerten Gesellschaft im Iran moralisch überlegen wäre. Es waren aber die deutschen Regierungen, die aktiv an Angriffskriegen teilnahmen [3], was längst eine bewiesene Tatsache ist. Während sich der Iran seit dem CIA Putsch von 1953, mit dem ein demokratisches System gestürzt wurde, einem permanenten Krieg der westlichen Großmächte gegen das Land ausgesetzt sieht.

Ein Angriffs-Krieg, der mit Morden, Sanktionen, mit offenem Krieg wie im Fall des Angriffs des Iraks mit Hilfe der USA von 1980 bis 1988, und mit CyberWar geführt wird. Entgegen Deutschland hat der Iran kein einziges Land militärisch angegriffen. So viel zur moralischen Überlegenheit. Auf die anderen Kritikpunkte einzugehen, und sie mit dem System in Deutschland abzugleichen, würde in diesem Format zu weit führen. So fluteten vor der Wahl Propagandanachrichten von tausenden von Konten die Sozialen Medien mit Hashtags wie #BoycottIranShamElections oder #MyVoteRegimeChange. Die Postings behaupten, dass niemand die Regierung unterstützen würde, dass Wahlen wertlos wären und alles nur eine große Inszenierung des „Regimes“. Dabei sollte man wissen, dass es ganz offiziell Cyber-Warrior von Saudi-Arabien, Israel und inoffiziell der Terroristenorgansation MEK [5], inzwischen unter der Regie der CIA, gibt.

Die Vorhersagen

Wie zum Beispiel das ZDF [4], sagten die wichtigsten westlichen Massenmedien das Offensichtliche schon voraus, nämlich dass die „gemäßigten“ Politiker einen Rückschlag erleiden würden, und erstmals seit längerer Zeit wieder Konservative und Hardliner die Mehrheit im Parlament gewinnen könnten. Als Grund wurde angegeben, dass viele der gemäßigten Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen worden wären. Die Tatsache, dass der Westen durch den Bruch des Atom-Deals JCPOA dem gemäßigten Regierungschef Ruhani [auch Rohani] einen Dolch in den Rücken gestoßen hatte, wird nur manchmal angedeutet. Was passierte, hatten die Hardliner, die von Anfang an gegen den Vertrag waren, vorausgesagt. Sie hatten den Vertrag als Fehler gebrandmarkt, weil man mit den USA keinen Vertrag eingehen könne, und sie hatten in den Augen der Iraner Recht behalten. Hinzu kommen die demütigenden Luftangriffe Israels auf Ziele in Syrien und den Irak, womit „iranische Ziele“ getroffen werden sollen. Angriffe, auf die der Iran glücklicherweise bisher nicht militärisch reagiert hat.

Die Wahlergebnisse

Am Wahltag konnte man teilweise lange Schlangen vor Wahllokalen sehen, während Boykott-Befürworter leere Plätze posteten, als Beweis, dass der Boykott befolgt würde. Natürlich gab es unterschiedliche Wahlbeteiligungen, und zum Beispiel in den kurdischen Bereichen, in denen es eine Unabhängigkeitsbewegung gibt, die vom Ausland unterstützt wird, war die Beteiligung sicher unterdurchschnittlich. Ebenso in der 9 Millionen Metropole Teheran, wo die Angst vor dem Virus besonders groß war. Der gesellschaftliche Druck war kurz vor dem Wahltag erhöht worden, indem die Wahl zu einer nationalen Pflicht ernannt wurde, durch welcher dem feindlichen Ausland, gezeigt werden sollte, dass das Land geschlossen hinter dem Regierungssystem steht.

Die Öffnung der Wahllokale wurde mehrere Male verlängert, weil letztendlich der Andrang in manchen Gebieten doch groß war, und die Wähler spät kamen. In Wahlkreisen, in denen keiner der Bewerber mehr als 20% der Stimmen erreichte, wird voraussichtlich Anfang April ein zweiter Wahlgang stattfinden.

Am 23. Februar berichtet der Spiegel, dass die Wahlbeteiligung mit 42,57% „deutlich niedriger als angenommen“ ausgefallen wäre. Dass bei den wesentlich wichtigeren Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017 73,1% Wahlbeteiligung verzeichnet wurden, und bei den EU-Wahlen eine „Rekordwahlbeteiligung“ von gerade mal 50,6% in den Medien bejubelt wurde, sollte man vielleicht wissen, wenn man liest „Nicht mal jeder Zweite ging zur Wahl„. Trotzdem kann die geringste Wahlbeteiligung seit vielen Jahren auch als Protest gegen die Disqualifizierung von 81 derzeitigen Abgeordneten gewertet werden, die nicht an diesen Wahlen teilnehmen konnten, und nur über Stellvertreter auf den Wahl-Listen erschienen. Die Wahlenthaltung ist durchaus im Iran, und wäre es auch in Deutschland, ein Mittel, um die politischen Führungen zu Konzessionen zu bewegen.

Es wird zu prüfen sein, welche Rolle die Virusfälle in vier verschiedenen Städten gespielt haben. Bis zum 24. Februar waren immerhin 12 Menschen am Virus gestorben [12] und Pakistan hatte die Grenzübergänge deshalb geschlossen. Ein prominenter saudischer Journalist mit fast einer Million Twitter-Follower freute sich über den Ausbruch des Corona-Virus im Iran und schrieb: „Schauen Sie sich die Straßen von Qom an, nachdem sich #Corona ausgebreitet hat. Sie sind verängstigt. Wo ist ihr ‚Tod für Amerika‘ jetzt?“ [11]

Am 24. Februar wurden immer mehr Wahlergebnisse bekannt und erste Videos von vor Freude tanzenden Iranern wurden verbreitet [13]. Es bestätigte sich, dass konservative und radikale Bewerber von den Wählern favorisiert wurden.

Im Mai 2021 wird der Nachfolger von Präsident Rohani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten darf, gewählt werden. Und sollte sich die Politik des Westens nicht gravierend ändern, dürfte die Tendenz zu einer Verhärtung der Haltung des Irans gegenüber dem Westen weiter gehen, und nach vielen Jahren ein Regierungschef gewählt werden, welcher dem Westen wesentlich kritischer gegenüber steht.

Übereinstimmung mit Umfragen

Da das Wahlergebnis nicht das vom Westen gewünschte Ergebnis widerspiegelt, gibt es Aussagen, dass die Wahlen wieder einmal manipuliert wären. Und so ist es sinnvoll, die Wahlergebnisse mit Umfragen zu vergleichen, welche westliche, und sicher nicht im Sinne des iranischen Establishments agierende Institute durchgeführt hatten. Das „Center for International and Security Studies at Maryland (CISSM) & IranPoll“ führen seit 2015 regelmäßig Umfragen durch, welche einen guten Einblick in die Meinung der Bevölkerung ermöglichen, ebenso wie in die Veränderungen. Die neuesten Umfragen wurden Ende 2019 erhoben [6]. Hier einige Ergebnisse.

Es besteht einhellig die Meinung, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert hat. Jedoch halten 79,5% der befragten den Bruch des JCPOA durch die USA dafür verantwortlich und antworteten, dass dies „großen negativen Einfluss“ (47,7) oder „einigen negativen Einfluss“ (31,8%) hatten. Wobei durchaus auch Korruption und Missmanagement von 45,5% der Befragten beklagt wurden. Während 37,5% „ausländische Sanktionen und Druck“ als größten Verursacher der schlechten Wirtschaftslage ansahen. 69,3% der Befragten wünschten sich eine Wirtschaftspolitik, die den Iran unabhängig vom Ausland macht („Streben nach wirtschaftlicher Selbstversorgung“).

Der Atomdeal

Was den Atomdeal (JCPOA) angeht, hatten im Jahr 2015 noch 76,5% dem Vertrag „stark zugestimmt“ oder „etwas zugestimmt“. Im Jahr 2019 hatte sich das nach dem Bruch des Vertrages durch die USA und der Nichterfüllung durch Frankreich, Großbritannien und Deutschland geändert. Nun lehnten 51,7% der Befragten den Vertrag „stark“ oder „etwas“ ab. Und nur noch 42,3% stimmten ihm „stark“ oder „etwas“ zu.

Dann stellt die Umfrage folgende Frage:

„Wie Sie vielleicht wissen, hat unsere Regierung [16] als Vergeltung für den Rückzug der USA aus dem JCPOA-Abkommen und die Wiedereinführung der Sanktionen einige Grenzen überschritten, die sie im Rahmen des JCPOA akzeptiert hat, und mit einem Rückzug gedroht, falls die anderen P5+1-Länder nicht mehr tun, damit der Iran von dem Abkommen profitieren kann.

Die anderen P5+1-Länder haben daraufhin geantwortet, dass die jüngsten Aktionen des Iran es ihnen erschweren, die vom Iran geforderten Schritte zu unternehmen. In diesem Sinne, inwieweit unterstützen oder widersetzen Sie sich der jüngsten Entscheidung unserer Regierung?“

74,3% erklärten, die Schritte der Regierung „stark“ oder „etwas“ zu unterstützen. 12,8% sind „etwas“ dagegen und nur 6,8% sind entschieden gegen die teilweise Aufhebung der Selbstbeschränkungen. Nun muss man wissen, dass diese 6,8% nicht unbedingt Unterstützer von Trump sind. Vielmehr gibt es eine starke religiöse Strömung, welche die Entwicklung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen ablehnt, und befürchtet, dass die Aufhebung der Beschränkungen doch zu einer Aufnahme der Entwicklung von Kernwaffen führen könnte.

In den Folgefragen, bzw. den Antworten darauf lässt sich erkennen, dass die Skepsis der Iraner gegenüber europäischer Politik tief sitzt. Ebenso was eine neue Vereinbarung mit den USA angeht. So lautet die Frage 19:

„Was wäre, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs auch die Vereinigten Staaten davon überzeugen würden, den wichtigsten Ölkunden des Iran zu erlauben, wieder Öl aus dem Iran zu kaufen, wenn der Iran sich bereit erklären würde, die Bedingungen des JCPOA wieder vollständig zu erfüllen?“

Die Antworten: „Ich würde eine solche Vereinbarung stark unterstützen = 12,6%“, „Ich würde eine solche Vereinbarung etwas unterstützen = 31,1%“, „ich wäre etwas dagegen = 22,0%“, „Ich wäre stark dagegen = 32,1%“.

In Frage 28 einer separaten Befragung wird untersucht, ob die Befragten sich pro oder contra der nuklearen Weiterentwicklung aussprechen, falls die USA die Atomanlagen des Landes angreifen sollten. Die Antworten lauten:

„Ausweitung der [bisherigen] nuklearen Aktivitäten = 61,8%“, „Wiederaufbau des Nuklearprogramms auf das derzeitige Niveau = 16,0%“ „Reduzierung der nuklearen Aktivitäten = 9,5%“, „Vollständige Einstellung der nuklearen Aktivitäten = 7,8%“. Wie gesagt, die Ablehnung stammt zum Teil nicht von Befürwortern einer pro-westlichen Politik, sondern von ultra-religiösen Gruppen, welche solche Waffen grundsätzlich ablehnen.

Wenn nach der Sympathie der Iraner gegenüber anderen Staaten gefragt wird, dürfte auch interessant sein, dass 81,8% der Befragten die Vereinigten Staaten von Amerika „eher negativ“ oder „sehr negativ“ sehen. Insofern erscheint die Behauptung der US-Regierung, die Iraner würden sich nach einer „Befreiung“ von der „Diktatur der Mullahs“ sehnen, unglaubwürdig.

Raketen

Die USA fordern ja auch, dass der Iran seine Raketenentwicklung aufgeben sollte. Dem widersprachen 44,7% der Befragten absolut („Der Iran sollte nicht über sein Raketenprogramm und seine militärischen Aktivitäten im Nahen Osten [Middle East] verhandeln„), während 35,7% erklärten, dass solche Verhandlungen nur möglich wären, nachdem sowohl die USA als auch Europa sich im vollen Einklang mit den Vereinbarungen des JCPOA verhalten würden, und alle Sanktionen aufgehoben werden.

Eindeutig auch der Abfall der Beliebtheit des „gemäßigten“ Regierungschefs Ruhani. Waren im Jahr 2015 noch 91,1% der Befragten „sehr“ oder „etwas“ von ihm überzeugt, waren es im August 2019 nur noch 42,3%. Während die eher dem Westen kritischer eingestellte Politiker, wie Ebrahim Raisi, von 2017 mit 48,3% im August 2019 auf 58,6% gestiegen waren. Das wird von der Bevölkerung nicht wegen angeblich steigender Korruption so gesehen. Denn 77,9% der Befragten erklärten, dass die Korruption gleich geblieben, oder leicht bzw. stark gesunken wäre. Und nur 0,4% erklärten, dass sie die Regierung als korrupt ansehen würden.

Und schließlich ergab die Umfrage, dass 76,6% der Befragten für eine „Bestrafung“ sind, sollten iranische Schiffe oder der Luftraum des Irans angegriffen werden. Und nur 18,9% erklärten, dass der Iran vorsichtig sein sollte, damit sich kein größerer Konflikt entzündet.

Die „Terrororganisation“ Revolutionsgarden

Die USA und Israel hatten die iranischen Revolutionsgarden zur „Terrororganisation“ erklärt. Insofern war es interessant zu sehen, wie dieser wichtigste Teil der Landesverteidigung von den Bürgern des Landes gesehen wird. In einer Frage 27 heißt es: „Sind Sie generell der Meinung, dass die Aktivitäten der Iranischen Revolutionsgarden in der Region des Nahen Ostens den Iran mehr oder weniger sicher gemacht haben? Viel oder etwas?“ Die Antworten lauteten: „Sehr viel sicherer = 53,7%“, „etwas sicherer = 26,8%“, „etwas weniger sicher = 9,3%“, „sehr viel weniger sicher = 7,5%“. Was wiederum der Nachweis dafür ist, dass auch die Außenpolitik der Regierung in Hinsicht auf die Unterstützung von Unabhängigkeitsbewegungen im Irak, Libanon, Jemen und der Regierung Syriens auf Zustimmung in der Bevölkerung trifft.

Fazit

Die Weltsicht, welche uns die westlichen Medien, und insbesondere die Tagesschau als Leitwolf der deutschen Medien, in die Gehirne brennen, ist alleine und ausschließlich eine Weltsicht westlicher Eliten. Noch nicht einmal reine Faktenberichterstattung aus nichtwestlichen Agenturen wird zugelassen [9]. So sollen wir dazu erzogen werden, jederzeit die Sichtweise zu verinnerlichen, welche uns durch die Medien vermittelt wird. Die Berichterstattung über die Wahlen im Iran sind dafür ein Beispiel. Im Vordergrund der Wünsche der Menschen des Irans stehen Kampf gegen Korruption und für wirtschaftliche Entwicklung. Weder Wahlergebnisse, noch Umfragen unterstützen die Behauptung, dass die Menschen des Iran eine grundlegende Veränderung der Politik ihrer Führung und Unterwerfung unter die westliche Hegemonie wünschen. Weshalb man davon ausgehen muss, dass die Führung des Landes durchaus den Willen der Mehrheit der Bevölkerung respektiert.

Während Angela Merkel erklärte, dass die wichtigsten Entscheidungen des politischen Establishments gegen den Willen der deutschen Bevölkerung erfolgte, und dies als „Primat der Politik“ verteidigte [7]. Und so wird unser „Kreuzzug“ für „liberale westliche Werte“ als neo-koloniales Denken einer Elite entlarvt, der es ihr ermöglicht, mit auf Mitleid und Emotionen basierter Propaganda gegenüber der eigenen Bevölkerung, Menschen tötende Sanktionen und sogar einen Krieg gegen den Iran zu begründen.

Natürlich möchte kein Deutscher, der liberal und säkular aufgezogen wurde, in einem von religiöser Striktheit durchzogenen Gesellschaft leben. Genau so verabscheuen aber viele religiöse Iraner das oberflächliche Leben ohne jede Spiritualität vieler Deutschen.

Und ganz sicher möchte keiner von beiden gezwungen werden, sich dem jeweils anderen anzupassen. Aber genau das versucht der Westen mit grausamen Methoden. Und erreicht das Gegenteil.

Ohne den permanenten Krieg gegen die iranische Bevölkerung seit 1953 und die Revolution von 1979, hätte sich die iranische Gesellschaft längst weiter entwickelt, wäre toleranter geworden. Aber durch den Druck von Außen verhärten sich die Fronten, extreme Ansichten erhalten Zulauf, und so drückte sich auch in diesen Wahlen aus, was auf Grund westlicher Politik zu erwarten gewesen war. Die neue Generation von Hardlinern wird noch gefährlich werden für den Westen. Denn sie strebt eine Renaissance der Ideen der Revolution an, die viel stärker säkular und sozialistisch geprägt war, als die Politik es heute noch widerspiegelt [10] Aber was wäre die westliche Rüstungsindustrie, ohne ein ordentliches Feindbild?

Quellen:

[1] Telepolis, Jochen Mitschka, „Iran: Soziale Netzwerke, Zensur und Manipulation“, am 07.10.2018,  <https://www.heise.de/tp/features/ Iran-Soziale-Netzwerke-Zensur-und-Manipulation-4182775.html und Telepolis, „Iran: Die Kopftuchikone der USA“, am 06.10.2018, https://www.heise.de/tp/features/Iran-Die-Kopftuchikone-der-USA-4182018.html>
[2] Alitheia Verlag, Jochen Mitschka, „Schattenkriege des Imperiums – Der Krieg gegen den Iran“, <http://www.alitheia-verlag.de/ product_info.php?products_id=5>
[3] Amazon, Jochen Mitschka, „Deutschlands Angriffskriege: Der verlorene Geist des Grundgesetzes“, <https://www.amazon.de/ Deutschlands-Angriffskriege-verlorene-Geist-Grundgesetzes/dp/3864456878>
[4] ZDF, dpa, AFP, „Geringe Wahlbeteiligung im Iran“, am 21.02.2020, <https://www.zdf.de/nachrichten/politik/wahlen-iran-ruhani-100.html>
[5] Youtube, Marco Bülow, „Marco Bülow über Lobbyismus (Teil 5): Entscheidung zum Kriegseinsatz im Eilverfahren“, am 28.06.2016, <https://youtu.be/T5jCOEJx1eU>
[6] CISSM, „Iranian Public Opinion Under „Maximum Pressure““, Oktober 2019,  <https://static1.squarespace.com/static/ 5525d831e4b09596848428f2/t/5da734202da90301ed6f707f/1571238944905/CISSM_IranPoll_All_trend_tables_FINAL.pdf>
[7] KenFm, Jochen Mitschka, „Das Primat der politischen Parteien“, am 24.04.2019, <https://kenfm.de/standpunkte-%E2%80%A2-das-primat-der-politischen-parteien>
[8] Telepolis, Jochen Mitschka, „Iran: Soziale Netzwerke, Zensur und Manipulation“, am 07.10.2018, <https://www.heise.de/tp/features/ Iran-Soziale-Netzwerke-Zensur-und-Manipulation-4182775.html>
[9] NachDenkSeiten, „Die Tagesschau ist systematisch auf die Weltsicht westlicher Nachrichtenagenturen fixiert“, am 24.02.2020,  <https://www.nachdenkseiten.de/?p=58762>
[10] Al-Monitor, Rohollah Faghihi, „Meet the new generation of Iranian hard-liners“, am 18.07.2018, <https://www.al-monitor.com/pulse/ originals/2018/07/iran-new-generation-innovative-revolutionaries-hardliners.html>
[11] Twitter, Walid, am 23.02.2020, <https://twitter.com/walid970721/status/1231874725846167553>
[12] Islamic Republic News Agency, „Lawmaker: Coronavirus kills 12, affects 47 in Iran“, am 24.02.2020, <https://en.irna.ir/news/83688749/ Lawmaker-Coronavirus-kills-12-affects-47-in-Iran>
[13] Twitter, Zahra Shafei, am 24.02.20020, <https://twitter.com/shafei_d/status/1231879618187145216>
[14] (Joint Comprehensive Plan of Action)
[15] (Mojahedin-e-Khalq-Organization)
[16] Gemeint ist der Iran